Süddeutsche Zeitung

Rechtspopulismus:Methode Angstmacherei

Die AfD schürt gerne Ängste und hat damit Erfolg. In Mecklenburg-Vorpommern wird sie sogar zweitstärkste Kraft. Ihre Wähler erwarten von ihr jedoch wenig.

Kommentar von Heribert Prantl

Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ist tiefste Provinz, aber eine so schöne Provinz, dass man sie die deutsche Provence nennen kann. Das Mittelmeer heißt dort Ostsee; der blaue Lavendel, wie er im Südosten Frankreichs blüht, ist dort der gelbe Raps; und die Alleen im deutschen Nordosten sind so prächtig, dass sie den Vergleich mit den Küstenstraßen der Côte d'Azur nicht scheuen müssen.

Die Gemeinsamkeiten zwischen Provence und Provinz enden nicht bei touristischen und landschaftlichen Schönheiten; sie setzen sich in der politischen Landschaft fort: Die Provence ist Hochburg des Front National. Mecklenburg-Vorpommern ist Hochburg der deutschen Rechtsaußen-Parteien; wenn man AfD und NPD zusammen nimmt, wählt dort jeder vierte Wähler Rechtsaußen.

Es gibt zwar in dem Land mit der lustigen Abkürzung McPomm nur wenige Ausländer und kaum Flüchtlinge, gleichwohl stößt die AfD als Protestpartei gegen Flüchtlinge und Merkel'sche Flüchtlingspolitik auf hohe Zustimmung. Muslime kennt man in Mecklenburg-Vorpommern vom Hörensagen, aber die Agitation gegen die angebliche islamische Gefahr hat die AfD groß gemacht. Ihrem Sündenbock-Wahlkampf ist es gelungen, diffuse Enttäuschungen, allerlei Missgunst, Wut und Verachtung auf die Eliten und die von ihnen geschaffenen Zustände zusammenzubinden - Zustände, die freilich in Mecklenburg-Vorpommern objektiv gar nicht so schlecht sind.

Dabei kam der AfD zupass, dass die rechtsextreme NPD in Mecklenburg-Vorpommern schon lang ihr braunes Nest hat und 2006 und 2011 in den Landtag gewählt wurde. Wer sich an die Hetzparolen dieser NPD gewöhnt hatte (Politiker anderer Parteien werden als "Volksverräter" beschimpft, denen der Prozess gemacht werden müsse), der mag die AfD gar nicht so schlimm finden. Sie ist aus dieser Sicht eine ent-pfuite NPD, eine NPD ohne Widerlichkeitsfaktor; gerade das macht die AfD gefährlich.

Man darf auf die Angstmacherei nicht hereinfallen

Der Front National zieht in Frankreich schon seit 1972 seine Furchen. Die AfD ist dagegen erst dreieinhalb Jahre alt; aber sie ist in dieser Zeit schon in acht deutsche Landtage gewählt worden. Der Landtag in Schwerin ist nun das neunte Landesparlament, in das die AfD einziehen wird; der Weg auch in den Bundestag im Herbst 2017 scheint also gepflastert zu sein. In der politischen Wahlheimat der christdemokratischen Bundeskanzlerin düpiert die AfD nun die CDU. Ein Jahr nach Merkels Satz "Wir schaffen das" gilt dieser Erfolg der AfD als Symbol erstens dafür, dass die Kanzlerin aus dem Tief, in das sie geraten ist, nicht mehr herauskommt. Zweitens gilt die Erfolgsserie der AfD als Beleg dafür, dass der Rechtspopulismus, der in ganz Europa grassiert, sich auch in Deutschland festgesetzt hat.

So sicher ist das aber noch nicht. Man findet in der AfD die Mixtur aus Ethnoregionalismus, Rechtsradikalismus und Populismus, die alle populistischen Parteien Europas zusammenrühren. In der AfD ist das Mischungsverhältnis noch nicht klar, dafür ist die Partei zu jung, die Mixtur ändert sich. Was heute Rechtspopulismus mit rechtsradikalen Anteilen ist, kann sich morgen in Rechtsextremismus mit populistischen Anteilen verwandeln. Beispiele dafür gibt es in Europa genug. Eine AfD, die diesen Weg geht und sich zum Beispiel mit Antisemitismus auflädt, wird in Deutschland scheitern.

Die AfD lebt fast ausschließlich von Anti-Stimmungen: von einer Anti-Flüchtlings-Stimmung, einer Anti-Islam-Stimmung, einer Stimmung, die sich pauschal über Fremdbestimmung und Bevormundung beklagt, von einer allgemeinen Gereiztheit und von pauschalen Ängsten, die die AfD selbst schürt. Diese Stimmungen entspringen einer irrealen Realität, sie sind nicht sehr haltbar. Die Wähler, die jetzt AfD wählen, erwarten wenig von ihr. Sie wollen in erster Linie, dass die anderen, die gewohnten Parteien und Politiker, eins auf den Deckel kriegen. Die Gereiztheit kann schnell ihren Reiz verlieren, wenn diese Strafaktion vorüber ist und dann nicht Propaganda, sondern ernsthafte Politik gemacht werden muss.

Wenn man Aufregung und Aufgeregtheit liebt, kann man das, was die AfD bisher in der deutschen Parteiendemokratie angerichtet hat, als Kettensägenmassaker bezeichnen. Aus Union, SPD und Linken wurden Stücke herausgeschnitten; gewohnte Zweierkoalitionen sind da und dort unmöglich geworden. Ein Horror ist das nicht, sondern Aufforderung an die beschnittenen Parteien, klarer, kommunikativer und unterscheidbarer zu werden. Die bundesdeutsche Demokratie hat im Übrigen schon etlichen angeblichen Horror überlebt, hat sogar mit ihm regiert (in Hamburg von 2001 bis 2003 mit der Schill-Partei). Die AfD verbreitet gerne Angst; man muss sich nicht anstecken lassen.

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SZ vom 05.09.2016/kjan
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