Süddeutsche Zeitung

Studie:Wie Rechte in Vereinen und Verbänden Einfluss nehmen

Rechtspopulisten und Rechtsextreme machen sich in Gewerkschaften, Kirchen, Verbänden und Vereinen breit - nach dem immer gleichen Schema, wie Forscher herausfanden.

Von Detlef Esslinger

Rechtspopulisten und Rechtsextremisten suchen Gelegenheiten, in die Zivilgesellschaft einzudringen - und gehen dabei oft nach demselben Schema vor. Zu diesem Ergebnis kommen vier Forscher der Universität Kassel um den Politologen Wolfgang Schroeder. Sie haben im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall untersucht, wie Rechte versuchen, in Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden sowie Sport- und Kulturvereinen Einfluss zu gewinnen - und wie diese reagieren. Dazu haben sie 40 Interviews mit Repräsentanten dieser Organisationen und der AfD geführt. Die Gesprächspartner werden zitiert, aber nicht mit Namen genannt.

Das Schema besteht darin, bestehende Konflikte oder Missstände aufzugreifen und sogleich zu verallgemeinern. "Damit machen sie Konflikte sichtbarer, intensivieren sie und weiten sie in ihrem Sinne aus", schreiben Schroeder und seine Kollegen. Gewerkschafter oder Caritas-Vertreter würden als "Arbeiterverräter" oder als Verräter christlicher Werte etikettiert - oder wegen des "Verrats am nationalen Sport und der deutschen Kultur" sowie wegen "unzureichender" Unterstützung deutscher Hilfsbedürftiger kritisiert. Der Interviewpartner vom Landessportbund Niedersachsen berichtete den Forschern, dass Vereinsverantwortliche von "besorgten" Mitgliedern aufgefordert würden, "sich ,doch mal um unsere Kinder zu kümmern, und nicht nur um solche von Flüchtlingen'". In Mecklenburg-Vorpommern bot die Frau eines NPD-Mannes einer Kita an, die Kinder "alte Hauspraktiken" zu lehren.

Die Reaktionen sind unterschiedlich, die Organisationen schwanken zwischen Ignorieren, Auseinandersetzen, Ausschließen und Abgrenzen. Der Arbeiter-Samariter-Bund in Sachsen lehnte sogar einen Erste-Hilfe-Kurs bei der AfD ab; man wollte keinerlei Geschäftsbeziehung. Schroeder sagte der SZ, für den Umgang mit Rechten gebe es kein Patentrezept. Die Organisationen müssten "im Einzelfall entscheiden, wie sie angemessen reagieren".

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Quelle:
SZ vom 06.06.2020
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