Rechtsextremismus:Wenn Helfer Opfer rechter Übergriffe werden

Anetta Kahane

Erlebt immer wieder Hasstiraden und hetzerische Attacken gegen sich im Netz: Die Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane.

(Foto: Amadeu Antonio Stiftung)
  • Die Amadeu Antonio Stiftung in Berlin sieht sich verstärkt rechtsextremer Hetze und diffamierenden Übergriffen ausgesetzt. Nun geht sie juristisch gegen die Kampagnen vor.
  • Die Stiftung ist Teil einer Task-Force von Bundesjustizminister Heiko Maas, die gegen rassistische Hetze in sozialen Netzwerken vorgeht.
  • Bundesweit häufen sich die Übergriffe von Rechtsexremen auf Flüchtlingshelfer oder Initiativen, die sich für Geflüchtete einsetzen.

Von Hanna Spanhel

Irgendwann nachts kamen sie, Mitglieder der rechten "Identitären Bewegung Berlin Brandenburg". Klebten den Eingang der Büros der Amadeu Antonio Stiftung mit Plakaten zu, versperrten den Zugang, verteilten Flyer auf Autos, die in der Nähe standen. "Hier betreten Sie den Überwachungsstaat", stand auf den Plakaten, dazu das Emblem des ehemaligen DDR-Ministeriums für Staatssicherheit. Der Stiftung, die sich seit 1998 gegen Rechtsextremismus engagiert, wird "Zensur" vorgeworfen.

"Das war kein gewalttätiger Übergriff", sagt Anetta Kahane, Vorsitzende der Stiftung. "Aber es zeigt, wie sehr Menschen unter Druck gesetzt werden, die sich engagieren." Und das immer häufiger, bundesweit. Auf rechten Facebook-Seiten erschienen vergangene Woche Fotos und Namen der Stiftungs-Mitarbeiter und die unterschwellige Drohung, wenn man wisse, wo diese wohnen, ergebe sich alles Weitere von selbst. Was anfangs noch Verbalattacken sind, sagt Kahane, steigere sich leicht zu tatsächlichen Gewaltangriffen.

Solche Einschüchterungsversuche und gezielte Hetzangriffe auf die Stiftung nehmen seit Wochen zu, sagt Geschäftsführer Timo Reinfrank. "Die Plakataktion von Rechten vor unserer Haustür zeigt erneut, dass aktuell nicht nur Flüchtlinge im Fokus von Neonazis stehen, sondern auch diejenigen, die sich für geflüchtete Menschen einsetzen."

Aggressiv und häufig antisemitisch, nennt Reinfrank die persönlichen Anfeindungen gegen einzelne Mitarbeiter, besonders die gegen Anetta Kahane. Als Stasi-Hexe oder jüdisch-kommunistischer Spitzel zum Beispiel wird Kahane im Netz beschimpft. Im Alter von 19 Jahren war sie 1974 als inoffizielle Mitarbeiterin des DDR-Staatssicherheitsdienstes angeworben worden. 1982 hatte Kahane die Kooperation mit der Stasi aber beendet, dadurch berufliche und persönliche Nachteile erfahren, sich für Menschen- und Bürgerrechte eingesetzt und später einen Ausreiseantrag gestellt. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass Kahane Dritten Schaden zugefügt habe, heißt es in einem Gutachten von Helmut Müller-Enbergs, Forscher der Stasiunterlagenbehörde. Trotzdem wird dieser Punkt immer wieder gezielt von Angreifern aufgeführt.

Hintergrund ist Engagement der Stiftung gegen rechte Hetze im Netz

Hintergrund der Attacken von rechts ist wohl vor allem das Engagement der Stiftung angesichts der Hetze gegen Flüchtlinge in sozialen Netzwerken. Die Antonio Amadeu Stiftung ist Teil der von Bundesjustizminister Heiko Maas ins Leben gerufenen Task-Force zum "Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet". Mehrfach forderte sie öffentlich Strategien für den Umgang mit Hetze, oder Hate Speech.

Seither, sagt Timo Reinfrank, erreichen die Stiftung Hassbriefe und Mails, werde in sozialen Netzwerken verstärkt mit diffamierenden Bildern und Hasskommentaren gehetzt. Im Mittelpunkt der rechten Kampagne steht laut Reinfrank die Behauptung, die Stiftung würde im Auftrag des Bundesjustizministers soziale Netzwerke zensieren. Dabei sei die Stiftung lediglich beratend tätig, sagt der Geschäftsführer - auf Löschungen von Beiträgen im Internet habe man gar keinen Einfluss.

Was die Amadeu Antonio Stiftung nun erfährt, ist aber kein Einzelfall, sagt Simone Rafael, Chefredakteurin des Online-Portals "Netz gegen Nazis", das zur Amadeu Antonio Stiftung gehört. "Es gibt momentan besonders viele Angriffe verbaler und körperlicher Art gegen Menschen, die sich für Flüchtlinge engagieren", sagt Rafael. Ziel solcher Feindseligkeiten sei es sicherlich auch, Angst zu verbreiten - und zu Gewaltaktionen aufzurufen. "Das ist eine gezielte Strategie der rechtsextremen Szene", sagt Rafael. Auch das Bundeskriminalamt stellte eine Zunahme zumindest zeitweilig fest: Im vergangenen Herbst habe man vermehrt Übergriffe auf Flüchtlingshelfer festgestellt, sagt eine BKA-Sprecherin. Statistisch erhoben würden solche Angriffe aber nicht.

Die Amadeu Antonio Stiftung setzt sich nun aktiv zur Wehr - vor allem mit juristischen Mitteln. "Wir haben uns dazu entschlossen, die ausufernde Hetze im Netz und die Lügen, die über die Stiftung verbreitet werden, nicht mehr hinzunehmen", sagt Timo Reinfrank.

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