Es gibt eine Gebrauchsanleitung zum Rassenkrieg, die in rechtsextremen Kreisen seit Jahren der Renner ist. Das Buch heißt "Die Turner-Tagebücher" (Turner Diaries) und beschreibt, wie amerikanische Rassisten Anschläge auf Moscheen, Polizeistationen, Gemeindezentren begehen, um einen Krieg der Rassen zu entfesseln. Diese Anschläge, zu denen sich niemand bekennt, würden Gegenschläge provozieren. Und so werde es zum Endkampf kommen - und zum Endsieg, heißt es in dem Buch: Alle Afrikaner, Araber und Asiaten werden ermordet, die Weißen übernehmen die Weltherrschaft. Wer sich an Ideen und Terminologie des NS-Staates erinnert fühlt, liegt nicht falsch.
Der Text fand sich auch auf den Computern mehrerer Angeklagter im NSU-Prozess
Man kann einiges von dem, was der Amerikaner William Luther Pierce in seinem Buch propagiert, bei rechtsradikalen Anschlägen der vergangenen Jahre wiedererkennen - und jetzt wohl auch beim Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Als einsame Wölfe sollen die rechtsradikalen Kämpfer laut den "Tagebüchern" losschlagen. Jeder an dem Platz, wo er steht, jeder mit den Mitteln, die er hat. Es braucht keinen Anführer, schon gar keinen Führer. Allein die Gesinnung eint die Kämpfer. Sie erkennen sich an ihren Taten - Taten statt Worte, so hatte der NSU geschrieben. Die Gesinnungsgemeinschaft ersetzt die Volksgemeinschaft.
Die rassistischen Kämpfer brauchen keine Bekennerschreiben. Sie handeln aus dem Hinterhalt, ohne sich zu erklären - um größtmögliche Verunsicherung zu schaffen und Terror zu verbreiten. Das erste Attentat nach dieser Methode war der Bombenanschlag von Timothy McVeigh in Oklahoma City im Jahr 1996, bei dem 168 Menschen umkamen. Anders Behring Breivik, der norwegische Massenmörder, hatte vor den Anschlägen in Utøya und Oslo die "Turner- Tagebücher" zumindest gelesen.
Auch in der gewaltbereiten Szene rund um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) wurden die Tagebücher intensiv gelesen. Sie fanden sich auf den Computern mehrerer Angeklagter im NSU-Prozess. Der NSU hatte sich nach diesem Muster organisiert. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos schlugen im Schutz der Anonymität zu. Sie tarnten sich als normale Bürger, die nicht weiter auffielen, so wie es die "Turner-Tagebücher" empfahlen. Auch Stephan E., der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke, war nach wilden Jahren in der rechten Szene in die Bürgerlichkeit abgetaucht - mit Frau, Kindern, Reihenhaus und Job. Die Nachbarn fanden ihn freundlich. Auch Neonazis mähen schließlich ihren Rasen.