Bundesinnenministerium:327 Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden

Bundesinnenministerium: Innenministerin Nancy Faeser stellt am Freitag in Berlin den neuen Bericht über Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden vor.

Innenministerin Nancy Faeser stellt am Freitag in Berlin den neuen Bericht über Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden vor.

(Foto: Britta Pedersen/DPA)

Staatsfeind statt Staatsdiener: Bundesinnenministerium informiert über Verfassungsgegner bei Bundeswehr, Bundespolizei und anderen Behörden. Die Entlassung solcher Beamter soll beschleunigt werden.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Sie haben Zugang zu hochsensiblen Daten, bisweilen auch zu Waffen oder Munition - und sind als Verfassungsfeinde einzustufen. 327 Beschäftigte deutscher Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern sind dem Verfassungsschutz als Gegner der demokratischen Grundordnung aufgefallen. Bei den allermeisten wurden handfeste Hinweise auf rechtsextremistisches Gedankengut oder persönliche Kontakte zur Szene der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter festgestellt.

"Solche Vorfälle aus der jüngsten Vergangenheit verstören uns zutiefst", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Vorstellung des zweiten Lageberichts über Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden am Freitag in Berlin. "Wir dürfen nicht zulassen, dass unser demokratischer Rechtsstaat von innen heraus sabotiert wird."

Nachdem 2020 in mehreren Länderpolizeien Chatgruppen bekannt geworden waren, in denen Hitlerbilder und rassistisches Gedankengut ausgetauscht wurden, stimmte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) einem ersten Lagebericht zu Extremismus in Sicherheitsbehörden zu. Seehofers Nachfolgerin Faeser schreibt ihn nun fort. Überprüft wurden zwischen Juli 2018 und Juli 2021 insgesamt 860 Fälle. In 38 Prozent wurden tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die demokratische Grundordnung festgestellt.

Und beim Verdacht blieb es oft nicht. Im Vergleich zu 2020 gebe es jetzt "deutlich" mehr Fälle, in denen aus einem ersten Verdacht ein erwiesener Fall von Rechtsextremismus geworden sei, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang. Belege für eine bundesweite Vernetzung rechtsextremistischer Beamter habe man aber nicht gefunden.

Etliche Fälle könnten noch unentdeckt sein

Beim Militärischen Abschirmdienst, unter dessen Zuständigkeit rund 242 000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und Zivilbedienstete fallen, wurden 83 Rechtsextremisten festgestellt. Bei der Bundespolizei mit gut 54 000 Mitarbeitern fielen 18 Rechtsextremisten auf. Beim Zoll waren es laut Bericht vier rechtsextremistische Mitarbeiter, beim Bundeskriminalamt zwei, beim Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst und der Bundestagspolizei jeweils ein Mitarbeiter. Hinzu kommen insgesamt 30 Verdachtsfälle sowie erwiesene Extremismusfälle in Sicherheitsbehörden des Bundes, die "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" zugerechnet werden. Diese Szene bestreitet die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und lehnt deren Institutionen ab.

Faeser betonte, die allermeisten der fast fünf Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes stünden fest auf dem Boden der Verfassung. Auch um sie vor falschen Verdächtigungen zu schützen, müsse unnachgiebig gegen Extremisten im Sicherheitsapparat vorgegangen werden. "Wir werden Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernen", kündige die Ministerin an. Bis Jahresende will Faeser das Disziplinarrecht ändern, um die Entlassung extremistischer Beamter zu beschleunigen. Ein Aktionsplan gegen Rechtsextremismus war bereits für Ostern angekündigt worden, zunächst aber noch vage geblieben.

Die Gesamtzahl der Prüffälle im zweiten Lagebericht ist neunmal so hoch wie 2020, es gab dreimal so viele Anhaltspunkte für Extremismus. Der Anstieg hat auch statistische Gründe. Erstmalig wurde das Verteidigungsministerium berücksichtigt. In Bundesbehörden zeigten 82 Prozent der auffällig gewordenen Personen Bezüge zum Rechtsextremismus, in den Landesbehörden 97 Prozent.

Etliche Fälle könnten allerdings noch unentdeckt sein, auch weil Kollegen einander nicht belasten wollen. Die Nachforschungen gingen oft auf Hinweise von Dienststellenleitern zurück. Hier nehme die Kooperationsbereitschaft zu, sie sei in Landesbehörden aber noch deutlich geringer als in Bundesbehörden, sagte Verfassungsschutzpräsident Haldenwang. Allein auf freiwillige Aussagen stütze sich der Lagebericht nicht. Der Verfassungsschutz habe den Behörden auch eigene Erkenntnisse zugespielt.

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