Rechtsextremismus:NPD ruft Mitglieder zur Schöffen-Kandidatur auf

Das "gesunde Volksempfinden" soll in die Urteile einfließen, Strafen gegen Ausländer sollen höher werden: Die NPD forderte ihre Mitglieder auf, als ehrenamtliche Richter zu kandidieren.

Die rechtsextremistische NPD hat offenbar ihre Mitglieder bundesweit aufgefordert, als Schöffen zu kandidieren.

Rechtsextremismus: NPD-Mitglieder als ehrenamtliche Richter: Wenn es nach der Partei geht, sollen sie bundesweit als Schöffen kandidieren.

NPD-Mitglieder als ehrenamtliche Richter: Wenn es nach der Partei geht, sollen sie bundesweit als Schöffen kandidieren.

(Foto: Foto: AP)

Das ARD-Magazin "Fakt" berichtete über einen entsprechenden Aufruf der Parteiführung. Darin heißt es den Angaben zufolge, ehrenamtliche Richter hätten die Möglichkeit, "das gesunde Volksempfinden in die Urteilsfindung einfließen" zu lassen. Auch ließe sich so "ein höheres Strafmaß etwa gegen kriminelle Ausländer und linksradikale Gewalttäter" durchsetzen.

Nach Recherchen des Mitteldeutschen Rundfunks war die NPD mit dieser Strategie auch schon in einigen Städten erfolgreich. So sei im Amtsgericht Riesa in Sachsen beispielsweise eine NPD-Kreistagskandidatin als Schöffin tätig, deren Mann für das NPD-Organ Deutsche Stimme arbeite.

Der für die Aufstellung der Schöffenliste zuständige damalige Bürgermeister Andreas Haberland sieht keinen Grund zur Beanstandung. "Der Zugang zu einem Ehrenamt ist das Recht eines jeden Bürgers. Es gibt Ausschlussgründe, und kein mir bekannter Ausschlussgrund lag hier vor", wird der CDU-Politiker von "Fakt" zitiert. Das Amtsgericht Riesa bestätigte die Wahl im Oktober 2008.

Amtsgerichtsdirektor Herbert Zapf sagte, bei der Wahl sei allerdings nicht bekannt gewesen, dass die Frau für die rechtsextremistische NPD aktiv sei. Dies sei erst jetzt bekanntgeworden. Gegen sie wurde nun umgehend ein Verfahren zur Streichung von der Schöffenliste eingeleitet. Zapf sagte, die Frau sei seinerzeit zur Hilfsschöffin gewählt worden und habe bislang wohl nur einmal an einem Strafprozess mitgewirkt. In dem Verfahren mussten sich nach seinen Angaben zwei Deutsche wegen einer Diebstahlsserie verantworten. Auffälligkeiten in oder am Rande der Verhandlung habe es nicht gegeben.

Das sächsische Justizministerium verwies darauf, dass die Wahl bei gewichtigen Gründen wie fehlender Verfassungstreue verwehrt werden könne. Grundsätzlich würden die Schöffen aber auf kommunaler Ebene gewählt, sagte ein Sprecher.

Allerdings werden die NPD-Mitglieder dem Aufruf der Parteiführung erst wieder 2013 folgen können. Deutschlandweit sprechen 61.000 Schöffen in Strafprozessen Recht. Um die Ämter dieser Laienrichter zu besetzen, erstellen die Gemeinden alle fünf Jahre, das nächste Mal 2013, eine Vorschlagsliste mit mindestens zwei Kandidaten pro Amt. Ausschüsse an den Amtsgerichten wählen die Schöffen schließlich aus.

In der Praxis seien die Mitglieder rechtsextremer Parteien nicht das Problem, sagte Hasso Lieber vom Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter auf Nachfrage von sueddeutsche.de. In den vergangenen Jahren habe nicht nur die NPD, sondern auch Republikaner und DVU ihre Mitglieder ins Rennen geschickt, aber die Fälle, in denen diese tatsächlich als Schöffen gewählt wurden, könne er an einer Hand abzählen.

Diese Kandidaten setzten nur in Ausnahmefällen durch, weil die Gemeinderäte deren Gesinnung kennen und sie deshalb zumeist von den Listen streichen, sagte Lieber. Anders als in Kleinstädten, wo sich ausreichend Freiwillige für das Ehrenamt der Schöffen bewerben, tun sich die Stadträte in Großstädten wie Berlin, Köln oder Stuttgart häufig schwer, die Listen zu erstellen. Dafür würden dann Einwohner aus den Melderegistern zwangsrekrutiert - und beim Erstellen der Vorschlagsliste nicht gründlich genug überprüft.

"Im Zweifelsfall sitzt dann ein Dummschwätzer auf der Richterbank"

"Da liegt das eigentliche Problem", sagt Lieber, "Die Kommunen sind sich der Verantwortung eines Schöffen nicht bewusst und winken die Kandidaten oftmals einfach durch. Im Zweifelsfall sitzt dann ein Dummschwätzer mit rechter Gesinnung auf der Richterbank, ohne dass es zuvor jemandem aufgefallen wäre."

Unterdessen strebt das Land Brandenburg eine Klarstellung des Gerichtsverfassungsgesetzes an, um einmal gewählte Rechtsextremisten aus dem Schöffenamt drängen zu können. Die Sprecherin des Justizministeriums Monika Haag sagte, das Bundesverfassungsgericht habe im Mai 2008 die Amtsenthebung eines ehrenamtlichen Richters an einem Arbeitsgericht bestätigt, weil der sich verfassungsfeindlich betätigt habe.

Bei Schöffen in Strafsachen gebe es dagegen bislang keine eindeutige Regelung, um einen einmal gewählten Schöffen, der sich verfassungsfeindlich betätigt, zu entlassen. Brandenburg, das sich wegen dieser Problematik bereits an das Bundesjustizministerium wandte, erwägt deswegen nun eine Bundesratsinitiative.

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