Rechtsextremismus:Rassismus darf nicht verharmlost werden

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Rechtsextreme Ausschreitungen in Heidenau im August: Demonstranten warfen Böller, Steine und Flaschen auf die Polizisten. (Foto: REUTERS)

Die Strafverfolger müssen dem neuen Hass mit Härte begegnen, ehe die Extremisten zu noch mehr Gewalt greifen. Ein Instrument dafür gäbe es.

Ein Kommentar von Wolfgang Janisch

Nachrichten aus diesem Deutschland, das der Welt noch vor Kurzem sein gastfreundliches Gesicht gezeigt hat, werden immer bedrückender. Ein Messerattentat auf die nun zur Kölner Oberbürgermeisterin gewählte Henriette Reker, ein verhinderter Sprengstoffanschlag bewaffneter Rechtsextremisten auf das Bamberger Balkanzentrum, eine dramatisch steigende Zahl von Angriffen auf Asylunterkünfte.

Dazu Vorkommnisse, die man als Alltagsgewalt abtun möchte, hätten sie nicht diese rassistische Prägung: Ein 52-jähriger Mann aus der münsterländischen Provinz sticht mit einem Messer auf einen Albaner ein, den er als "Ausländerschwein" beschimpft hat. Hätte er einen Deutschen attackiert und "Tod den Ungläubigen" gerufen, würde man sagen: Selbstradikalisierung eines islamistischen Einzeltäters. So aber bleibt er auf freiem Fuß - keine Fluchtgefahr.

Reagieren die Strafverfolger zu lasch auf die ausländerfeindliche Gewalt? Betrachtet man die Einzelfälle, stellt man fest: In Köln hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen, in Bamberg ermitteln die Staatsanwälte. Und dass im Münsterland kein Haftbefehl erging, lässt sich womöglich vertreten. Der Täter war nicht vorbestraft und hat von seinem Opfer abgelassen, bevor es zum Schlimmsten kam.

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Das Problem sitzt tiefer. Die Zunahme ausländerfeindlicher Proteste und die sich steigernden Hassparolen sind inzwischen mehr als nur der Ausdruck eines Ressentiments, das in seiner extremen Ausprägung in Gewalt umschlägt. Sie bereiten zugleich den Boden für eine Ideologisierung des Themas durch rechtsextreme Gruppierungen. Die Frage ist, ob die Sicherheitsbehörden - vier Jahre nach der Entdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds - wirklich aufmerksam genug sind, diesem Ideologisierungsschub entschieden zu begegnen.

Die Lehre aus dem Versagen der Behörden bei der viel zu späten Aufdeckung der NSU-Morde war: Verfassungsschützer, Landeskriminalämter und Staatsanwälte müssen ein besseres Sensorium für die Aktivitäten in der rechtsextremen Szene entwickeln - die, wie man weiß, eine hohe Affinität zum Waffenbesitz aufweist. Die Behörden benötigen das Knowhow, um deren agitatorisches Potenzial überhaupt erst zu erkennen, sie brauchen das Rüstzeug, um in die oft hoch konspirativen Strukturen einzudringen.

Zwar ist in den vergangenen Jahren hier einiges geschehen. Die Bundesanwaltschaft hat - unter Leitung des vom Bundesjustizminister geschassten Harald Range - die Vernetzung der Sicherheitsbehörden vorangetrieben, damit entscheidende Informationen nicht mehr in einem Geflecht aus Behördenegoismen hängen bleiben. Damit dieses Netz aber wirklich fängt, ist ein Mentalitätswandel notwendig. Rassismus darf nicht verharmlost werden, nur weil er in der milderen Form der Ausländerfeindlichkeit auch in der Mitte der Gesellschaft vorkommt. Rassisten formen eine zutiefst menschenfeindliche Ideologie; der Rechtsstaat muss ihnen ebenso entschieden entgegentreten wie den Menschenfeinden, die sich dem Islamismus verschrieben haben. Dass er das kann, steht seit Kurzem ausdrücklich im Strafgesetzbuch: Fremdenfeindliche Motive sind strafverschärfend zu werten.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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