Rechtsextremismus in Studentenverbindungen:Zerstrittene Burschen ziehen vor Gericht

Er nannte den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer einen Vaterlandsverräter. Jetzt wehrt sich Norbert Weidner vor Gericht gegen den Vorwurf, der rechtsextreme Kopf des Dachverbands der Deutsche Burschenschaften zu sein. Liberale Mitglieder befürchten ein Zersplittern des Verbands.

Johann Osel

Nach dem Eklat auf dem Eisenacher Burschentag vor gut drei Wochen eskaliert der Flügelkampf im Dachverband der Deutschen Burschenschaften (DB). Fünf Mitglieder des Vorstands hatten auf der Festveranstaltung in Thüringen, die zugleich oberstes Beschlussgremium des Verbands ist, aus Protest gegen rechtsextreme Tendenzen ihr Amt aufgegeben.

Burschenschaften Streit Gericht Rechtsextremismus

Der Konflikt innerhalb der deutschen Burschenszene eskaliert - Mitglieder bekämpfen einander nun vor Gericht.

(Foto: dapd)

Auslöser war die Wiederwahl des Vorstandsmitglieds und "Schriftleiters" der DB-Zeitung Burschenschaftliche Blätter, Norbert Weidner. In einem Pamphlet hatte dieser den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer "Landesverräter" genannt. Nun findet der Lagerkonflikt eine juristische Fortsetzung. Weidner versucht dagegen vorzugehen, mit rechtsextremen Umtrieben in Verbindung gebracht zu werden.

Die in Eisenach zurückgetretenen Führungsmitglieder definieren sich als liberale Strömung im Dachverband DB, dem 115 Einzelbünde mit gut 9000 Mitgliedern angehören und von dem sich viele andere akademische Verbindungen distanzieren. Darüber hinaus gibt es im Verband eine Initiative "Burschenschafter gegen Neonazis". Sie stellte in Eisenach gar einen Antrag zur Auflösung der DB, "um nicht länger Rechtsextremismus offiziell zu finanzieren und zu dulden".

Weidner reicht Unterlassungsklage ein

Ein Sprecher des Landgerichts Bonn bestätigte am Dienstag auf Anfrage den Eingang eines Unterlassungsersuchens. Wie die SZ aus Kreisen erfuhr, will Weidner einem Kollegen seiner Heimatburschenschaft Raczek zu Bonn, der dem Anti-Neonazi-Lager angehört, drei Behauptungen verbieten: erstens die Aussage, Weidner sei "höchstwahrscheinlich einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung, die aus Burschenschaften, NPD und Kameradschaften besteht". Zweitens, dass er Computer seiner Gegner gehackt habe. Und drittens, er wolle mit anderen nationalistisch gesinnten Burschen eine rechtsextreme "Studentenpartei" gründen. Weidner selbst war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Interessant daran ist, dass im Zusammenhang mit der angeblichen Parteigründung die Münchner Danubia genannt wird. Teile dieser Burschenschaft stehen im Fokus des Verfassungsschutzes, sie haben durch Verquickungen zu Neonazis von sich reden gemacht. In ihren Räumen hatte 2001 ein polizeilich gesuchter Skinhead Unterschlupf gefunden, nachdem er einen Griechen in München fast totgeprügelt hatte.

Das Engagement der organisierten Rechten in manchen Burschenschaften passt zur Intellektualisierung der Szene, zur Abkehr vom Bomberjacken-Image. Eigene Gruppierungen an Universitäten, etwa Ableger der NPD-Jugendorganisation, fanden bislang aber kaum Anhänger.

Da die Kammer des Bonner Landgerichts nicht sofort über die Unterlassungserklärung entscheiden wollte, hat sie eine Verhandlung für den 4. Juli angesetzt. Der Beklagte Christian Becker bestreitet gar nicht, in einer E-Mail an etwa 70 Bonner Burschen die Aussagen über Weidner gemacht zu haben. Er könne seine Behauptungen aber "anhand einer Vielzahl von Fakten" belegen - und mit diesen würde sich nun das Gericht beschäftigen.

"Juristischer Aufgalopp gegen bedenkliche Burschenschafter"

Der Prozess gegen Weidner sei "der erste juristische Aufgalopp gegen bedenkliche Burschenschafter", so Becker. Ziel seiner Initiative sei es schließlich, "möglichst viele der bundesweit 1500 rechtsextremen Burschenschafter" vor Gericht zu bringen: "Weidner und die Leute um ihn herum gehen ein hohes Risiko mit diesem Verfahren ein. Aber sie können auch gar nicht mehr anders. Das ist deren letztes Aufgebot."

Wohl wird die Causa die Spaltung der DB vorantreiben. In Eisenach war das Treffen vorzeitig aufgelöst worden - im Winter soll es fortgesetzt werden. Liberale Burschen halten ein Zersplittern für wahrscheinlich, da "die Entgleisungen rechtsextremer Mitglieder das Fass zum Überlaufen bringen".

Nicht alle, die Weidner im Amt bestätigt haben, teilten dessen Meinung über Bonhoeffer. Jedoch seien es gerade "solche Signale", die das öffentliche Bild der Burschen prägten.

In Weidners Text, der von der Raczek herausgegeben wurde und der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es: Heute gelte es "als en vogue, jegliche Kritik am Nationalsozialismus zu glorifizieren", auch wenn die damaligen Kritiker sich "zu Lasten von Deutschland und seiner Volksangehörigen" engagierten. Da Bonhoeffer in Kreisen verkehrt habe, die kriegsrelevante Fakten an die Briten übermittelt hätten, sei er als "Landesverräter" zu sehen. Bonhoeffer war 1945 im KZ Flossenbürg ermordet worden.

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