Süddeutsche Zeitung

Rechtsextremismus in der Bundeswehr:Wenn der Soldat den Hitlergruß zeigt

  • Nach der Festnahme des rechtsextremen Offiziers Franco A. wird über die politische Gesinnung innerhalb der Bundeswehr diskutiert.
  • Derzeit prüft der Militärische Abschirmdienst (MAD) 275 Fälle im Bereich Rechtsextremismus, sie reichen bis ins Jahr 2011 zurück.
  • Im Bericht des Wehrbeauftragten ist von 63 gemeldeten Vorfällen im Jahr 2016 die Rede. Die meisten weisen ein rechtsextremes Motiv auf.

Von Antonie Rietzschel

Vielleicht wünscht sich Ursula von der Leyen eine Zeitmaschine, die sie ein paar Jahre zurück katapultiert. Als die Probleme der Verteidigungsministerin vor allem technischer Natur waren: Fehlende Präzision beim G36-Sturmgewehr. Mängel beim Transportflugzeug A400M. Die fluguntaugliche Drohne "Euro Hawk", eine Altlast von Vorgänger Thomas de Maizière. Technik lässt sich einfach reparieren. Menschen nicht und schon gar nicht ein ganzes Heer.

Bereits Anfang des Jahres häuften sich Meldungen über Misshandlungen und sexuelle Übergriffe. Nach der Festnahme des rechtsextremen Offiziers Franco A. rückt die politische Gesinnung einzelner Truppenteile in den Mittelpunkt. Von der Leyen besuchte vergangene Woche die Kaserne Illkirch, wo Franco A. stationiert war. Die Verteidigungsministerin sagte, sie rechne damit, dass noch weitere rechtsextreme Vorfälle in der Truppe bekannt werden. "Wir müssen uns darauf einstellen, das ist meine tiefe Überzeugung, dass das, was wir bisher wissen, nicht alles ist, sondern dass sich dort noch mehr zeigen wird", so von der Leyen.

Hitlergruß und SS-Runen

Derzeit prüft der Militärische Abschirmdienst (MAD) 280 Verdachtsfälle im Bereich Rechtsextremismus, sie reichen mehrere Jahre zurück. Hinweise kommen aus der Truppe selbst, von anderen Sicherheitsbehörden aber auch aus der Bevölkerung.

Der Wehrbeauftragte legt zudem jedes Jahr einen Bericht vor. Darin werden auch Zahlen zu möglichen Verstößen mit politischem Hintergrund dokumentiert, die die einzelnen Dienststellen gemeldet haben. 2016 waren es insgesamt 63. Nach Angaben der Bundesregierung prüfen die Vorgesetzten bei einem Verdacht die soldatenrechtliche, disziplinarrechtliche sowie strafrechtliche Relevanz. Das geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke hervor. Demnach wurden noch nicht alle gemeldeten 63 Vorfälle final überprüft. Die Bundesregierung hat sie jedoch auf Wunsch der Linken detailliert aufgeführt. Eine Auswahl:

  • Die meisten der 63 gemeldeten Fälle haben einen rechtsextremen Hintergrund, besonders häufig geht es um das Zeigen des Hitlergrußes oder die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Ein Soldat skizzierte auf einer Übungsklausur die SS-Runen. Während einer Begrüßungsfeier erhob ein beschuldigter Soldat mindestens ein Mal den rechten Arm zum Hitlergruß.
  • Ein Soldat soll eine Reichskriegsflagge an seinem Auto befestigt haben und an einer Flüchtlingsunterkunft vorbeigefahren sein. Dabei machte er offenbar eine Geste, als wolle er die Kehle durchschneiden. Daraufhin wollten Flüchtlinge nicht in die Unterkunft einziehen. Die Bundeswehr entließ ihn vorzeitig.
  • In der Whatsapp-Gruppe seiner Teileinheit postete ein Soldat das Foto eines schwarzen Jungen, dazu die Bildunterschrift: "Das ist Matuto, sein Schulweg beträgt täglich 3 Stunden. Spende jetzt 5 Euro und wir kaufen eine Peitsche und garantieren, dass der faule Nigger es in 8 Minuten schafft." Er musste ein Bußgeld in Höhe von 500 Euro zahlen.
  • Ein Reservedienstleistender hatte sich freiwillig zur Unterstützung der Flüchtlingshilfe gemeldet und wurde in einem Registrierungszentrum eingesetzt. Er ist politisch in der Alternative für Deutschland (AfD) aktiv und gab außerhalb des Dienstes ein Interview, in dem er sagte: "Dem Flüchtling ist es doch egal, an welcher Grenze, an der griechischen oder an der deutschen, er stirbt." Und: "Wozu ist eine Waffe da, wenn nicht zum Schießen". Er bekam einen Verweis, seine Dienstzeit wurde vorzeitig beendet.
  • Ein Soldat rief nachts über das Kasernengelände: "SS, SS, es eskaliert", "SA, SA, es artet aus", sowie "Wehrmacht, Wehrmacht, wer macht mit?". Außerdem bezeichnete er später eine Soldatin als "Judenanwärterin". Ihr Lebensgefährte ist jüdischen Glaubens. Derzeit läuft ein Antrag auf Entlassung.

Der Militärische Abschirmdienst konnte 2016 drei Personen eindeutig der rechtsextremen Szene zuordnen, darunter zwei Mitglieder der NPD. Im März vergangenen Jahres meldete ein Soldat, dass er Mitglied der umstrittenen Burschenschaft "Germania" in Hamburg ist. Auf seiner ehemaligen Stube fanden die Ermittler Musik-CDs, die über rechtsextreme Verlage vertrieben werden. Die Diskrepanz beim MAD zwischen der Anzahl der Verdachtsfällen und der Anzahl ermittelter rechtsextremer Personen ist auffällig. Die Gründe dafür sind vielfältig. Vorwürfe lassen sich nach der Prüfung nicht erhärten. Und häufig ist die Bundeswehr bei der Bewertung schlicht schneller und hat bereits entsprechende Verfahren eingeleitet.

Dass die Bundeswehr für Rechtsextreme attraktiv ist, liegt an ihrer Struktur. Davon ist der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels überzeugt. "Hierarchien, Waffen und Uniformen - das zieht manchen Bewerber an, den die Bundeswehr nicht haben wollen kann", sagte er der Zeitung Welt am Sonntag. Bereits vor der Festnahme von Franco A. wurden in der Bundeswehr Maßnahmen ergriffen, um die Einstellung von Extremisten künftig zu verhindern. Ab dem 1. Juli 2017 sollen Bewerber einer Sicherheitsprüfung unterzogen werden.

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