Süddeutsche Zeitung

Attentäter von Halle:Lebenslange Haft gefordert

Die Bundesanwaltschaft sieht besondere Schwere der Schuld für gegeben an. Folgt das Gericht ihr, würde der angeklagte Antisemit erst als alter Mann wieder in Freiheit kommen.

Von Annette Ramelsberger

Die Bundesanwaltschaft hat für den Attentäter von Halle lebenslange Haft gefordert, sie sieht auch die besondere Schwere der Schuld für gegeben und die Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung. Folgt das Gericht diesem Antrag, würde der heute 28 Jahre alte Stephan B. erst wieder in Freiheit kommen, wenn er ein sehr alter Mann ist.

Der Angeklagte Stephan B. hatte am 9. Oktober 2019 versucht, 51 Menschen zu töten, die in der Synagoge von Halle den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten. Er scheiterte an der massiven Tür, erschoss daraufhin eine Passantin und fuhr zu einem Döner-Imbiss, wo er einen jungen Malerlehrling tötete. Viele Menschen überlebten nur, weil seine selbstgebauten Waffen klemmten. Die Bundesanwaltschaft rechnete ihm - neben dem versuchten Mord an den Menschen in der Synagoge - eine Vielzahl weiterer versuchter Morde zu.

Bundesanwalt Kai Lohse attestierte dem überzeugten Antisemiten, der auch während des Prozesses sein Weltbild ausstellte, "unbändigen Hass und Vernichtungswillen". "Wie in einem Videospiel ging es ihm darum, eine möglichst große Zahl von Personen zu töten", sagte Lohse.

Die Ankläger halten Stephan B., der fast ohne Kontakte zur Außenwelt jahrelang in seinem Kinderzimmer lebte, aber auf anonymen Seite im Internet aktiv war, für einen Einzeltäter, der sich jedoch bewusst in eine Reihe mit den Tätern an der Rampe von Auschwitz gestellt habe. Stephan B. hatte seine Tat im Internet gestreamt und sich bei anonymen Fans entschuldigt, dass es ihm nicht gelungen war, mehr Menschen zu töten.

Bundesanwalt: Prozess für Angeklagten keine Bühne

Lohse sagte, der Anschlag sei der widerwärtigste Angriff auf jüdisches Leben seit dem Zweiten Weltkrieg. "Damit zielte der Täter auf uns alle, denn das jüdische Leben ist ein unverzichtbarer Teil unseres Landes." Der Angriff auf das Dönerrestaurant und die zufällig vorbeikommende Frau hätten das Weltbild des Angeklagten gezeigt. "Deutlicher kann nicht werden, dass sich antisemitische, rassistische, antifeministische Gewalt gegen uns alle richtet", sagte Lohse.

Der Vertreter der Anklage zeigte Respekt vor den zahlreichen Nebenklägern. Sie hätten eine ermutigende Botschaft ausgesandt und sich gegen Antisemitismus gewehrt. Lohse erklärte, der Täter haben in diesem Prozess keine Bühne erhalten, um seine menschenverachtende Ideologie zu verbreiten. Die Bundesanwaltschaft sieht Stephan B. als voll schuldfähig an.

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