Süddeutsche Zeitung

Parteienstudie:29 Prozent der AfD-Wähler haben eine rechtsextreme Einstellung

Eine repräsentative Onlinebefragung unter 10 000 Teilnehmern ergibt: Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und ein Hang zu autoritären Regimen sind unter den Wählern der AfD deutlich stärker verbreitet als unter Anhängern anderer Parteien im Bundestag.

Von Markus Balser, Berlin

Die AfD hat zuletzt einige Anstrengungen unternommen, um zu zeigen, dass sie sich von rechtsextremem Gedankengut distanziert. Sie veröffentlichte Erklärungen, schloss Rechtsextremisten aus der Partei aus. Das große Ziel: Verhindern, dass der Verfassungsschutz die gesamte Partei zum rechtsextremistischen Verdachtsfall hochstuft. Doch nun durchkreuzt die Analyse einer Umfrage die Imagepflege der Partei. Fast jeder dritte AfD-Wähler (29 Prozent) hat laut einer aktuellen Veröffentlichung der Bertelsmann-Stiftung rechtsextreme Einstellungen.

Unter den Wählern der AfD sind Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und ein Hang zu autoritären Regimen demnach deutlich stärker verbreitet als unter den Anhängern der anderen Parteien im Bundestag. Zu diesem Ergebnis kommt die Stiftung in der Auswertung einer Studie, die auf einer repräsentativen Online-Umfrage vom Juni 2020 beruht. Immerhin knapp acht Prozent aller Wahlberechtigten verträten in Deutschland demnach ein rechtsextremes Weltbild, heißt es in dem Papier.

Um rechtsextreme Einstellungen zu messen, waren gut 10 000 Teilnehmer der Umfrage aufgefordert worden, sich zu Aussagen wie "Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind in der Geschichtsschreibung weit übertrieben worden" oder "Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet" zu positionieren. Unter den Befragten, die beabsichtigen, AfD zu wählen, fanden derartige Aussagen die größte Zustimmung. In dieser Gruppe war es knapp jeder Dritte. Unter den Anhängern von CDU und CSU äußerten sich demnach sechs Prozent entsprechend. In der Wählerschaft von Linke und FDP lag der Anteil laut Bertelsmann Stiftung bei jeweils fünf Prozent. Niedriger war der Wert für die SPD-Wähler (vier Prozent) und die Wähler der Grünen (zwei Prozent).

Die Studienautoren sehen eine Nähe zur NPD

Die Schlussfolgerungen der Studienautoren sind eindeutig: Während der Wahlerfolg bei der Bundestagswahl 2017 noch vor allem ein Erfolg rechtspopulistischer Wählermobilisierung im Schatten der Flüchtlingskrise gewesen sei, zeige sich, dass vor der Bundestagswahl 2021 die Wählerschaft der AfD zu einem großen Teil rechtsextrem eingestellt sei. Das Einstellungsprofil der AfD-Wählerschaft ähnele dem Profil der rechtsextremen NPD sehr viel stärker als dem Einstellungsprofil der anderen im Bundestag vertretenen Parteien, heißt es in dem Papier.

Allerdings schränkt die Studie selbst die Bewertungskraft mit Blick auf die Frage ein, ob der Verfassungsschutz eine härtere Gangart einschlagen sollte. Die verwandte Einstellungsforschung sei "nicht gleichzusetzen mit der Operationalisierung von Rechtsextremismus in Verdachtsverfahren des Verfassungsschutzes", heißt es in dem Papier. Aus den vorliegenden Zahlen ergäben sich deshalb auch keine direkten Ableitungen oder Beurteilungen über die verfassungsschutzrechtliche Bewertung und Einstufung einzelner Parteien.

Im vergangenen Jahr waren mehrere Studien erschienen, die darauf hinweisen, dass populistische und rechtsextreme Einstellungen zurückgingen oder zumindest nicht gestiegen sind. Aktuell seien nur noch etwa zwei von zehn Wahlberechtigten in Deutschland (20,9 Prozent) populistisch eingestellt, hieß es etwa im Populismusbarometer 2020. Das waren 11,8 Prozentpunkte oder etwas mehr als ein Drittel weniger als im November 2018 (32,8 Prozent). Allerdings warnte auch diese Studie davor, dass die Gefahr rechtsextremer Einstellungen am rechten Rand wachse.

Die wichtige Leipziger Autoritarismus-Studie, die rechte oder rechtsextreme Einstellungen misst, kam im vergangenen Jahr zum Ergebnis, dass rechtsextreme oder den Nationalsozialismus verharmlosende Einstellungen seit 2002 in Deutschland in der Tendenz eher abgenommen haben oder gleich geblieben sind. Allerdings sind sie in mehreren Kategorien in Ostdeutschland seit 2018 wieder leicht angestiegen.

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