Rechtsextreme:"Wir sind mehr"

Rechtsextreme: Martialische Minderheit: Die Divisionen der NPD blieben in Hannover sehr überschaubar.

Martialische Minderheit: Die Divisionen der NPD blieben in Hannover sehr überschaubar.

(Foto: Ole Spata/AFP)

In Hannover stellten sich am Samstag 8000 Demonstranten 150 NPD-Anhängern entgegen, die unliebsamen Journalisten mit Rache drohen wollten. Einer von ihnen erzählte, wie die Neonazis ihn schon attackiert haben.

Von Peter Burghardt, Hannover

Am Landesfunkhaus am Maschsee in Hannover hatten sie beim NDR ein blaues Band aufgehängt, darauf in weißer Schrift Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes, Absatz 1. "Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet", heißt es da unter anderem. "Eine Zensur findet nicht statt." Um nichts weniger ging es ja bei diesen Demos am Samstag in Niedersachsens Landeshauptstadt, der kleinen Demo der NPD und der großen Demo der Demokraten.

120 Neonazis marschierten auf, begleitet von einem Großeinsatz der Polizei mit Helmen, Mannschaftswägen, Motorrädern, Wasserwerfern, Reiterstaffel, Hubschraubern. Angesichts von mehr als 8000 Gegendemonstranten mit flammendem Einsatz für die Pressefreiheit war die verfassungsfeindliche Kleinpartei nur ein Schatten. Aber Station machte die NPD auch beim NDR, das alles durfte sie.

Die NPD verliest die Namen der Journalisten, die sie "in die Schranken weisen" will

Ein NPD-Mann verlas die Namen von Journalistinnen und Journalisten, die in ihren Kreisen recherchieren. "Eure Namen, eure Gesichter und euer Fehlverhalten" kenne man "genau", so die Stimme. "Mein Appell an euch, lasst es verdammt noch mal bleiben." Auf einem Plakat stand: "Gerechtigkeit für Karl." Der frühere SS-Unterscharführer Karl M. war 1944 am Massaker von Ascq in Frankreich beteiligt gewesen, 86 französische Zivilisten wurden damals ermordet.

In einem NDR-Interview relativierte er 2018 die Morde und den Holocaust, nun wollte die NPD den NDR-Interviewer "in die Schranken weisen". Das Motto wurde samt durchgestrichenem Foto des Journalisten und Protest gegen die Rundfunkgebühren auf einem Transparent durch die Straßen getragen. Doch in die Schranken gewiesen wurden an diesem grauen Nachmittag sehr eindeutig die Rechtsextremen. "Wir sind bunt statt braun", sprach Belit Onay, der neue Oberbürgermeister von den Grünen vor einer Menschenmasse auf dem zentralen Versammlungsplatz. "Und das Wichtigste: Wir sind mehr!"

Onays Eltern kamen einst aus der Türkei, seine Rede war sein Einstand als OB, seit Freitag regiert er im Rathaus. Am Freitag entschieden Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht allerdings auch, dass die Versammlung der NPD stattfinden darf. Die Richter kippten das Verbot, das Hannovers Polizei wegen rechtsradikaler Drohungen und erheblicher Sicherheitsbedenken erlassen hatte. SPD-Innenminister Boris Pistorius fand es "richtig, die Demo zu verbieten", wie er in seinem Beitrag bei der Gegenkundgebung "bunt statt braun" sagte. Er sagte aber auch, dass er sich lieber über eine Gerichtsentscheidung ärgere als Gerichte zu haben, "die von einem Staatspräsidenten gelenkt werden".

Das Versammlungsrecht gelte für jeden, erinnerte Pistorius, "leider auch für Verfassungsfeinde." Wieder einmal seien Grenzen überschritten worden - "wir wissen, was passieren kann, wenn aus Parolen Taten werden." Doch er fand es "wunderbar, dass wir alle zusammenstehen gegen die rechten Hetzer und Verfassungsfeinde". Sonst "stirbt die Demokratie von unten". Der evangelische Stadtsuperintendent Thomas Höflich berichtete, dass sogar die Kirche tags zuvor zwei Drohmails bekommen habe. Eingeschüchtert werden ja viele Menschen, die Rassismus oder Antisemitismus nicht hinnehmen wollen. Gerade gab eine sächsische SPD-Bürgermeisterin wegen Hass und Hetze auf.

Das Wort auf der Bühne der Pressefreiheit ergriffen auch drei jener Reporter, die von Neonazis attackiert werden. Einer von ihnen erzählte, dass er geschlagen wurde, bedroht, mit dem Auto abgedrängt. Selbst sein Nachbarhaus wurde beschmiert. "Die Demo wird bestimmt nicht das Letzte sein, was die Nazis gegen uns machen", so sein Verdacht. "Egal, wir machen weiter", sagte ein anderer. "Weil wir wissen, warum wir das tun." Auch der Termin für die nächste Demo wurde bekannt gegeben: beim AfD-Parteitag am kommenden Samstag in Braunschweig.

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