Rechtsextreme Straftaten:Auch ein Autodiebstahl soll zählen

NRW-Innenminister Jäger will alle Straftaten von Rechtsextremen erfassen - auch solche, die Gerichte nicht als politisch motiviert einstufen. Er erhofft sich damit ein klareres Bild über die kriminellen Aktivitäten von Neonazis.

Bernd Dörries

Seit Wochen diskutiert Deutschland über die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und den Rechtsextremismus im Land. Es ist eine Bestandsaufnahme dessen, was in den vergangenen Jahren am rechten Rand passiert ist. Die Frage ist, wie der NSU mordend durch Deutschland ziehen konnte, ohne dass jemand etwas merkte - die Ermittlungen werden wohl viele Monate dauern. Doch selbst einfache Fragen sind bei der Aufarbeitung rechtsextremer Straftaten nicht einfach zu beantworten, etwa danach, wie viele es davon überhaupt gab.

Landtag Düsseldorf

"Wir wollen genau wissen, welche Straftaten diese Leute verüben" - Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD).

(Foto: dpa)

Bürgerinitiativen gegen rechts haben die Zahl von mehr als 150 Morden mit rechtsextremem Hintergrund errechnet, das BKA spricht von lediglich etwa 50 seit 1990. Die Behörden haben bisher recht hohe Hürden gelegt, bis einer Straftat ein rechtsextremer Hintergrund zugeordnet werden kann - sie muss politisch motiviert sein. Klaut ein Neonazi ein Auto, fällt das lediglich in den Bereich normaler Kriminalität.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) schlägt nun vor, alle Straftaten von Rechtsextremen in einer Statistik zu erfassen - unabhängig davon, ob Gerichte die Tat als politisch motiviert definieren. "Wir wollen genau wissen, welche Straftaten diese Leute verüben", sagte Jäger der Süddeutschen Zeitung. Eine Straftat solle künftig dem Rechtsextremismus zugeordnet werden, wenn der Täter in den Datenbanken der Polizei als ein potentieller Gewalttäter geführt wird oder einer rechten Partei angehört. "Mit neuen, einheitlichen Erfassungskriterien erhalten wir ein klareres Bild über sämtliche kriminellen Aktivitäten der Rechtsextremisten. Dann können wir sie besser ins Visier nehmen." Der Vorschlag soll auf der kommenden Innenministerkonferenz eingebracht werden.

Außerdem will Jäger den Waffenbesitz von Neonazis erschweren. Künftig soll es bei der Erteilung eines Waffenscheins eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz über einen rechtsextremen Hintergrund des Antragstellers geben; bisher wurde dies nur bei einem gegebenen Verdacht überprüft. "Der Verfassungsschutz hat genaueres Wissen über rechtsextremistische Bestrebungen, die die Unzuverlässigkeit eines Antragstellers begründen. Deshalb muss er in die waffenrechtliche Zuverlässigkeitsüberprüfung mit einbezogen werden", sagte der Minister.

Nordrhein-Westfalen will die entsprechende Änderung des Waffengesetzes im Bundesrat beantragen. Jäger will an diesem Donnerstag den nordrhein-westfälischen Landtag über den Rechtsextremismus informieren und die Schaffung zusätzlicher Stellen bei der Polizei ankündigen.

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