Rechtsextreme in Frankreich:Wie der Vater so die Tochter

Am Sonntag übernimmt Marine Le Pen von ihrem Vater den Parteivorsitz der Front National. Die neue Chefin will der rechtsextremen Partei ein modernes Image verpassen - und wird sie so gefährlicher machen. Vor allem für Präsident Sarkozy.

Lilith Volkert

Marine Le Pen weiß, wie sie mit ihrem zweifelhaften Erbe umzugehen hat. Als sie bei einem Fernsehinterview am vergangenen Sonntag zu der Aussage ihres Vaters, die Gaskammern in Auschwitz seien nur ein "Detail der Geschichte", Stellung nehmen soll, verdreht sie erst die Augen und poltert dann los. Ob man ihr ernsthaft zum 12.560. Mal diese Frage stellen wolle? Und warum würden eigentlich ständig 60 Jahre politisches Leben auf diesen Satz reduziert?

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Frisches Gesicht für rechts außen: Marine Le Pen wird künftig Frankreichs Front National führen.

(Foto: AFP)

Mit ihrer kräftigen Stimme und raumgreifenden Gesten lässt die blonde Politikerin die beiden Moderatoren des Senders France 3 wie eingeschüchterte Schuljungen aussehen. "Ich denke, das Thema ist erledigt", schließt Marine Le Pen, ohne auf die Frage eingegangen zu sein, lehnt sich ruhig zurück und lächelt spitzbübisch. Und tatsächlich: Die Journalisten haken nicht nach.

Seit Jean-Marie Le Pen 1972 die rechtsextreme Partei Front National (FN) gegründet hat, stand er an ihrer Spitze und hat mit antisemitischen und fremdenfeindlichen Äußerungen europaweit für Aufsehen gesorgt. An diesem Sonntag hat der 82-Jährige den Vorsitz an seine jüngste Tochter Marine übergeben.

Dass die Abstimmung unter den 30.000 FN-Mitgliedern zu ihren Gunsten ausgeht, galt seit Wochen als sicher. Die Frage war vielmehr, ob die 42-jährige Europaabgeordnete ihren 60-jährigen Kontrahenten Bruno Gollnisch, einen langjährigen Wegbegleiter ihres Vaters, mit einer überwältigenden Mehrheit aus dem Rennen wirft oder nicht.

Nun steht das Ergebnis fest: Marine Le Pen erhielt 67,65 Prozent der Stimmen. Ihr Vater wurde auf dem Parteikongress in Tours, auf dem das Ergebnis bekannt gegeben wurde, zum Ehrenpräsident der Partei ernannt. Der unterlegene Gollitsch lehnte den Posten des "Ersten Vize-Vorsitzenden" ab.

Zeichen stehen auf Wandel

Damit kündigt sich bei Frankreichs größter rechtsextremer Partei ein Generationenwechsel an - und auch inhaltlich stehen die Zeichen auf Wandel. "Viele Themen, die ihren Vater und sein Umfeld geprägt haben, interessieren Marine Le Pen nicht", sagt der Politologe Jean-Yves Camus. "Zweiter Weltkrieg, Algerienkrieg, den Verlust der französischen Kolonien, das hat sie alles nicht miterlebt." Dafür bringt die zweimal geschiedene Mutter von drei Kindern Themen aus ihrer Lebenswelt mit, sie spricht sich für Abtreibung und Partnerschaft ohne Trauschein aus.

Auch wenn große Änderungen im Parteiprogramm nicht zu erwarten sind - die Forderung nach weniger Einwanderung, der Abschaffung des Euro und der Wiedereinführung der Todesstrafe haben sich bewährt -, wird innerhalb der Partei einiges anders werden. "Marine Le Pen wird einige Parteikader gegen deutlich Jüngere auswechseln und die innere und äußere Kommunikation verbessern", sagt Rechtsextremismus-Experte Camus. "Kurz: Sie wird die Partei professioneller aufstellen."

Seit Jahren versucht die bisherige Vize-Chefin die FN zu "entdämonisieren" und zu einer Volkspartei zu machen, indem sie sie neuen Wählerschichten öffnet ohne radikale Anhänger zu verschrecken. Dazu gehört auch, dass sie vorsichtig auf Distanz zu ihrem Vater geht und - wie in besagtem Interview - nicht jedes seiner kruden Zitate öffentlich billigen mag.

Provozieren wie der Vater

Dass sie Jean-Marie Le Pen in Sachen Populismus trotzdem in nichts nachsteht, bewies Marine Le Pen im Dezember, als sie die wegen Platzmangels im Freien betenden französischen Muslime mit der Besetzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten verglich. Ihrer Beliebtheit hat das nicht geschadet: Aktuellen Umfragen zufolge haben 27 Prozent der Franzosen eine "positive Meinung" von ihr.

Benoît Hamon, der Sprecher der Sozialisten, warnt, Marine Le Pen sei "genauso gefährlich wie Jean-Marie Le Pen". Noch mehr Angst vor einer modernen Front National unter einer beliebten Chefin hat die Regierungspartei UMP. Präsident Sarkozy hat der FN im Wahlkampf 2007 mit Themen wie der inneren Sicherheit Stimmen weggenommen - diese Wähler will die Partei 2012 wieder zurückholen.

Bis zu 17 Prozent werden Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen 2012 vorhergesagt, Jean-Marie Le Pen bekam 2007 nur gut zehn Prozent. Aus dem anstehenden Wahlkampf wird sich der 82-Jährige, der selbst fünf Mal als Kandidat angetreten ist, sicher nicht heraushalten. Der künftige Ehrenvorsitzende hat schon angekündigt, dass er seinen Rat auch ungefragt gerne anbringen werde.

Seine Tochter hat derweil eine wichtige Weihe des französischen Medienbetriebs bekommen. Bei der beliebten Satiresendung Les guignols de l'info, die mit überzeichneten Gummipuppen von Politikern und Prominenten das aktuelle Geschehen karikiert, gibt es seit kurzem eine Figur, die so aussieht wie sie. Vermutlich wird sie in den kommenden Monaten einige Male zum Einsatz kommen.

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