Süddeutsche Zeitung

Rechtsextreme Gewalt:Wer verprügelt wird, soll bleiben dürfen

Die Amadeu Antonio Stiftung fordert ein Bleiberecht für Flüchtlinge, die Opfer von Rechtsextremen werden. Unterstützung kommt aus der Politik.

Von Marc Bädorf

Es geht um Fälle wie den von Solomon Yeboah. Seinen Angaben zufolge war der Ghanaer am 21. Dezember 2014 im Schweriner Stadtteil Mueßer Holz von zwei Personen rassistisch beleidigt und mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen worden. Gegen die Täter wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Und Yeboah in den frühen Morgenstunden des 20. Januar 2015 nach Italien abgeschoben. Der einzige Zeuge war nicht mehr in Deutschland, das Verfahren gegen seine Peiniger wurde eingestellt.

Die Amadeu Antonio Stiftung möchte solche Fälle verhindern. Sie fordert, Flüchtlingen, die Opfer rassistischer Gewalt geworden sind, automatisch ein Bleiberecht zuzusprechen. "Wir wollen, dass rechtsextreme Täter schneller verurteilt werden und die Verfahren weniger kompliziert sind. Häufig sind Verfahren gegen rechtsextreme Täter sehr schwierig, da die Opfer schon außer Land sind. Das geht nicht", sagte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Stiftung. Sie ist nach Amadeu Antonio benannt, der 1990 in Brandenburg von rechtsextremen Jugendlichen verprügelt wurde und nach zwei Wochen im Koma starb.

Die Linke präsentierte es schon als Gesetzesentwurf

Ähnliches wie die Stiftung forderten die drei grünen Justizminister von Hamburg, Niedersachen und Thüringen. In einem Brief an Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vor wenigen Tagen schrieben sie, es müsse "gesetzlich sichergestellt werden, dass ausländische Opfer rechter Gewalt zumindest bis zum Abschluss des Strafverfahrens als Zeuge bereitstehen". Es müsse verhindert werden, dass einem mutmaßlichen Täter ein Delikt nicht nachgewiesen werden könne, weil das ausländische Opfer, "das oftmals der einzige Zeuge ist, bereits abgeschoben wurde." Dass die Opfer nur bis nach dem Prozess bleiben dürfen sollen, hält Reinfrank für "zynisch". Er fordert, dass Opfer auch danach Bleiberecht erhalten.

Er hofft auf Auswirkungen auf die potentiellen Täter: "Es geht vor allem darum, dass eine solche Maßnahme den Motiven der Angreifer diametral gegenüber stehen würde. Das führt vielleicht wirklich bei dem einen oder anderen zum Nachdenken."

Reinfranks Forderung präsentierte die Linke schon 2014 als Gesetzesentwurf. Die Unions-Fraktion wehrte sich damals dagegen. Der CDU-Abgeordnete Günter Baumann verwies in der Bundestagsdebatte darauf, dass es neben rechter auch linke Gewalt gebe. Eine Sonderregelung für eine Opfergruppe wäre eine Privilegierung, die seine Fraktion ablehne. Im Koalitionsvertrag zwischen der Linken, der SPD und den Grünen in Thüringen setzten sich die Parteien ein Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt als Ziel. Sie kündigten an, eine Umsetzung in eigener Landeskompetenz zu prüfen.

Das Gesetz würde aber nur einen verhältnismäßig kleinen Personenkreis treffen. Nach Zahlen von Pro Aysl wurden in Deutschland im Jahr 2016 bisher bei 289 Angriffen auf Flüchtlinge 151 Menschen verletzt.

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