Süddeutsche Zeitung

Rechtsextreme feiern Mordserie im Netz:Musik fürs rechte Herz

Lesezeit: 3 min

Offiziell distanziert sich die NPD von jeglicher Form von Gewalt - doch im Internet treiben Neonazis im Umfeld der Partei fröhlich ihre mörderischen Späße: Ein NPD-Landtagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern bietet CDs mit Titeln wie "Kanaken zerhacken" an. Und auf Facebook tauchen immer wieder Paulchen-Panther-Profile auf.

Kathrin Haimerl

Das Lied endet mit einem unverhohlenen Tötungsaufruf: Im Sommer 2010 veröffentlichte Gigi und die braunen Stadtmusikanten auf dem Album "Adolf Hitler lebt!" einen eigens komponierten Song, in dem die rechtsradikale Gruppe die Mordserie gegen Migranten feiert. Titel: "Döner-Killer".

Einer, der "Gigi und die Stadtmusikanten" zumindest als Einkommensquelle zu schätzen weiß, ist David Petereit. Der 30-Jährige war einst Kameradschaftsführer in Mecklenburg-Vorpommern und hat inzwischen Karriere bei der NPD gemacht. Petereit ist Landesvize in Mecklenburg-Vorpommern und sitzt im Schweriner Landtag. Nebenher betreibt er einen Versandhandel, in dem es allerlei Musik gibt, die das rechtsextreme Herz erfreut, darunter auch die neueste Scheibe von "Gigi und die braunen Stadtmusikanten", die auf der Webseite von Petereits Versandhandel folgendermaßen angepriesen wird: "Euch erwartet so manche Überraschung, das verspreche ich schon mal! Politik und Satire jagt Ironie und Realität!"

In der rechtsextremen Szene ist Daniel Giese alias "Gigi" schon länger ein Star: Der Sänger gründete unter anderem die Neonazi-Band Stahlgewitter mit. "Gigi und die braunen Stadtmusikanten" verstand er als Spaßprojekt: Die Gruppe covert bekannte Schlager in der Rechtsrock-Version. Alles furchtbar lustig und "herrlich ironisch", wie ein Fan in einem neonazistischen Internetforum schreibt. Wobei viele Kommentatoren das "Döner-Killer"-Lied erst jetzt, nachdem bekannt wurde, dass die Mordserie auf das Konto von Rechtsterroristen gehen könnte, zu schätzen wissen: "Ich fand das Lied relativ schwach! Allerdings hat sich dieses Blatt (dank der allgemeinen Belustigung) mittlerweile sehr stark gewendet ...", schreibt ein Nutzer in einem neonazistischen Musikforum.

Auf der Scheibe, die Petereit vertreibt, findet sich das "Döner-Killer"-Lied zwar nicht. Dafür aber ein anderes mit dem Titel "Kanaken zerhacken". Das gleichnamige Original des österreichischen Liedermachers Wolfang Ambros ist als böse Satire auf das österreichische Spießbürgertum gedacht, das Gewalt gegen Ausländer zumindest billigend in Kauf nimmt. In der Rechtsrock-Version von "Gigi und den braunen Stadtmusikanten" freilich wirkt das Lied erschreckend menschenverachtend und gewaltverherrlichend.

Grüne zeigen NPD-Mann Petereit an

Die Grünen im Schweriner Landtag haben deshalb gegen den NPD-Landesabgeordneten Petereit Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt. Die Internetseite von Petereits Versandhandel habe "unruhestiftenden Charakter". Zudem rufe "Gigi und die braunen Stadtmusikanten" eindeutig zu Gewalt gegen einen Teil der Bevölkerung auf. Mit dem Werbetext für die CD mache sich Petereit den volksverhetzenden Inhalt zu eigen und somit strafbar, argumentierte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Schweriner Landtag, Jürgen Suhr.

Angesprochen auf den Fall Petereit wirkt auch NPD-Bundespressesprecher Frank Franz wenig erfreut, passt dies doch so gar nicht ins Bild der neuen NPD, die sich nach außen hin seriös und moderat präsentieren will. "Ich halte das aus politischer Sicht für fragwürdig, um nicht zu sagen für dumm", erklärt Franz auf Anfrage von sueddeutsche.de zu Petereits Versandhandel. Dass Petereit in seiner "Funktion als Privatmann" solche CDs vertreibe, sei "nicht besonders schön".

Petereit selbst findet die Vorwürfe "absurd". Die CD sei rechtsanwaltlich geprüft und als unbedenklich eingestuft worden. Das Lied existiere seit Jahren, ohne dass der österreichische Liedermacher Ambros dafür strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden sei. Zu Recht, so Petereit weiter, handele es sich doch um Ironie. "Um Ironie zu erkennen, bedarf es einer gewissen Intelligenz", merkt Petereit auf Anfrage von sueddeutsche.de süffisant an.

Derartige Form von Ironie scheint in der Szene derzeit rasenden Absatz zu finden. Ähnlich gelagerte Fälle finden sich aktuell zuhauf im Netz. So versucht ein anderer rechtsextremer Versandhandel mit einem "T-Hemd" zu punkten, das folgende Aufschrift trägt: "Killer Döner nach Thüringer Art".

Ganz ähnlich ist der Tonfall, den Neonazis im Umfeld der NPD anschlagen, wenn sie sich unbeobachtet wähnen. So wählten mehrere mit NPD-Funktionären befreundete Facebook-Nutzer Paulchen Panther als Profilbild. Die Comicfigur macht sich in dem zynischen Bekennervideo der Terrortruppe über die Opfer der Mordserie lustig. Ein Nutzer hatte zeitweise eine verfremdete Version im Profil: Sie zeigte einen düster dreinblickenden Panther mit Patronengürtel und geladener Waffe.

Der ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat der NPD, Liedermacher Frank Rennicke, ist - ebenso wie weitere NPD-Funktionäre aus Bayern - mit einem fiktiven Profil namens Paulchen Panther befreundet. Als Bild wählten die anonymen Urheber eine Katze, die Adolf Hitler verblüffend ähnlich sieht. Auf der Pinnwand gratulieren befreundete Nutzer zu der "gelungenen" Seite.

Ein bayerisches NPD-Mitglied machte vor wenigen Tagen Schlagzeilen, weil es einen Ausschnitt aus dem zynischen Bekenner-Video der Zwickauer Terrorzelle auf sein Facebook-Profil stellte. Darunter der Kommentar: "Tod dem Döner, es lebe die Nürnberger Bratwurst!" Fünf Freunden des Rechtsextremisten gefiel dieser Eintrag, darunter fand sich ein weiteres NPD-Mitglied.

Als der Mann damit Schlagzeilen machte, fand dies die Parteispitze plötzlich nicht mehr lustig. Es schloss das Mitglied kurzerhand aus. Beim Landtagsabgeordneten Petereit prüfe die Partei intern noch, ob der Fall Konsequenzen haben soll, teilte Bundespressesprecher Franz mit.

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