Rechtsextemer Terror in Deutschland:Wer steckt hinter der Oldschool Society?

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Die von einem Computermonitor abfotografierte Facebook-Seite der ´Oldschool Society". (Foto: dpa)

Der "Präsident" der Oldschool Society war offenbar ein Waffennarr, sein "Vize" in einer mittlerweile verbotenen Kameradschaft aktiv. Ob sie wirklich im Begriff war, eine Terrororganisation nach dem Vorbild des NSU aufzubauen, ist unklar.

Von Antonie Rietzschel

Ein Totenschädel mit zwei blutverschmierten Hackbeilen ist ihr Logo - die rechtsextreme Gruppe Oldschool Society soll den Behörden zufolge Anschläge in Deutschland geplant haben. Wegen Terrorverdachts hat die Bundesanwaltschaft vier Mitglieder verhaften lassen. Innenminister Thomas de Maizière zufolge habe man die Gründung einer weiteren rechtsextremen Terrororganisation ähnlich dem NSU verhindert.

Wer sind die Festgenommenen?

Andreas H. aus Augsburg soll bei der Oldschool Society als Präsident der Gruppierung agiert haben. Auch wenn die Aussagen auf der alten und mittlerweile gesperrten Facebookseite eindeutig rechtsextrem waren, forderte Andreas H. Unterstützer auf, keine Nazi-Bilder zu posten. Der 59-Jährige bemühte sich offenbar um einen Waffenschein, wie er auf seiner eigenen Facebookseite schrieb. Ein weiteres Foto zeigt ihn am Schießstand, versehen mit dem Kommentar "9mm einfach geil".

Markus W. kommt zwar aus Nordrhein-Westfalen, hat aber zuletzt im sächsischen Borna gewohnt. Er soll in der Neonaziorganisation "Kameradschaft Aachener Land" aktiv gewesen sein. Auf einer Demonstration trug er ein entsprechendes T-Shirt. Die "Kameradschaft Aachener Land" war bis zu ihrem Verbot 2012 eine der aktivsten Neonazigruppen in Nordrhein-Westfalen. In der Oldschool-Society soll W. den Posten des Vizepräsidenten innegehabt haben. Mit ihm wurde auch seine Freundin Denise Vanessa G. festgenommen.

Nach eigenen Angaben hatte die Gruppe auch einen Pressesprecher, Olaf O. Er soll 2011 in Köln als Ordner an einer Demonstration mit dem Neonazi Christian Worch teilgenommen haben sowie bei der Demonstration von Hooligans gegen Salafisten.

Die zahlreichen Fotos der Gruppe, die immer noch im Internet zu finden sind, zeigen die vier in szenetypischer Kleidung. Olaf O. trägt am Hals ein Tattoo der rechtsextremen Band Sleipnir. "Das sind ganz klassische Neonazis, die schon lange in der Szene sind", sagt Robert Lüdecke von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Gemeinsam mit Kollegen hat er die Fotos von Oldschool Society gesammelt und ausgewertet. "Die haben sich lange selbst mit rechtsextremer Propaganda gefüttert - und aus irgendeinen Grund haben sie sich dann noch mehr radikalisiert", sagt Lüdecke. Zwei der Festgenommenen sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft.

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Was wird ihnen vorgeworfen?

Unter anderem sollen Andreas H., Markus, W., Denise Vanessa G. und Olaf O. eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet haben. Der Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft zufolge, war es "das Ziel der Vereinigung, innerhalb Deutschlands in kleineren Gruppierungen Anschläge auf namhafte Salafisten, Moscheen und Asylbewerberunterkünfte zu begehen". Die vier Festgenommenen sollen Sprengstoff für mögliche Anschläge beschafft haben. Bei den Durchsuchungen fanden die Ermittler "pyrotechnische Gegenstände mit großer Sprengkraft". Unklar ist, ob die Beschuldigten bereits konkrete Anschlagsziele bestimmt hatten.

Gibt es tatsächlich Parallelen zum NSU?

Der NSU war eine Untergrundorganisation, deren Mitglieder im Geheimen agierten. Sie tauchten immer wieder unter und gaben sich andere Namen. Die Anhänger der Oldschool Society sind seit der Gründung offen in den sozialen Netzwerken aktiv. Bei Youtube lud ein Nutzer namens "Therapeut" - möglicherweise Markus W. - ein Video hoch, das zahlreiche Fotos der Beschuldigten zeigt. Auch auf der Facebookseite fanden sich Fotos von Andreas H., Markus, W., Denise Vanessa G. und Olaf O. Es gibt auf der Facebookseite Hinweise auf Gewaltphantasien, jedoch nicht auf konkrete Pläne, einen Anschlag zu verüben.

Seit Bekanntwerden der NSU-Morde wird dem Verfassungsschutz vorgeworfen, auf dem rechten Auge blind zu sein. Dass er grundsätzlich gegen eine potenzielle rechtsextreme Terrororganisation vorgeht, ist löblich. Ob damit ein zweiter NSU verhindert werden konnte, bleibt jedoch Spekulation, bis die Pläne der Oldschool Society eindeutig geklärt sind.

Warum wurde die Gruppe erst jetzt bekannt?

Im November 2014 soll sich die Oldschool Society im sächsischen Frohburg südlich von Leipzig zu einer Gründungsveranstaltung getroffen haben. Die Behörde soll bereits im August vergangenen Jahres auf sie aufmerksam geworden sein - womöglich über die Facebookseite, die bereits vor der offiziellen Gründung offen einsehbar war. "Der Gruppe gehören etwa zehn Mitglieder an, die per Internet kommunizierten, sich aber auch persönlich trafen. Ihre Planungen waren so weit fortgeschritten, dass man eingreifen musste", sagte der Chef des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. "Es handelt sich bei ihnen um Personen, die nicht über eine hohe Intelligenz verfügen, sondern eher dumpf sind."

Gruppen wie der Antifa oder auch der Amadeu-Antonio-Stiftung war die Oldschool Society bis zu der Razzia unbekannt. Mitarbeiter von No-Nazi.net, einem Projekt der Amadeu-Antonio-Stiftung durchsuchen regelmäßig soziale Netzwerke nach rechtsextremen Inhalten. "Es gibt mittlerweile einfach zu viele solcher Seiten - und oft sind die Äußerungen woanders viel drastischer als die von Oldschool Society", sagt Robert Lüdecke.

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Welche Fragen sind offen?

Das tatsächliche Bedrohungspotenzial lässt sich derzeit nicht abschätzen, da unklar ist, ob es konkrete Anschlagspläne gab. Darüber hinaus stellt sich die Frage, seit wann tatsächlich ermittelt wird. Wie Tagesschau.de im März berichtete, stellte die Bundestagsfraktion der Linken eine Anfrage an die Bundesregierung, inwiefern es weitere Neonazi-Zellen ähnlich dem NSU gibt, die Anschläge planen. In der Antwort heißt es, seit Anfang 2012 habe die Generalbundesanwaltschaft mehrere Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer rechtsterroristischen Gruppierung eingeleitet. Sie seien jedoch alle eingestellt worden. Wurde das Verfahren gegen Oldschool Society erst vor wenigen Wochen - also nach Anfrage der Linken - eingeleitet? Und was macht diese Gruppe so einzigartig? Recherchen des Südwestdeutschen Rundfunks zufolge gibt es auch andere potenziell rechtsterroristische Gruppen.

Mittlerweile ist auch die Facebookseite der Oldschool Society wieder online - ob es sich um tatsächliche Anhänger oder Nachahmer handelt, ist unklar.

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