Süddeutsche Zeitung

Rechter Terror des NSU:Rätsel um Nürnberger DVD-Kurier

Lesezeit: 3 Min.

Nürnberg ist einer der Fixpunkte der Rechtsterroristen: Drei Morde hat das Zwickauer Neonazi-Trio in der fränkischen Stadt begangen. Jetzt wird bekannt, dass dort in einer Zeitungsredaktion eine der Bekenner-DVDs früher als anderswo aufgetaucht ist. Ohne Briefmarken, ohne Poststempel. Schickte die festgenommene Beate Z. einen Helfer, der den Paulchen-Panther-Film persönlich einwarf?

Jannis Brühl

Im Falle der rechtsextremen Terrorserie geht die Polizei einer neuen Spur nach, die nach Nürnberg führt. In der fränkischen Stadt hatten die mutmaßlichen Mörder zwischen 2000 und 2005 drei Türken erschossen. Jetzt werfen Indizien die Frage nach einem Helfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) auf, der vor kurzem in Nürnberg ein Päckchen ablieferte. Der Inhalt war brisant.

Die Politik-Redaktion der Nürnberger Nachrichten erhielt eine der Bekenner-DVDs des Zwickauer Trios - in einem Umschlag ohne Briefmarken und ohne Poststempel. Ein Unbekannter muss ihn also in einen Briefkasten des Hauses geworfen haben, und zwar am Donnerstag vergangener Woche oder früher. Die anderen bisher bekannten Adressaten hatten den 15-minütigen Film per Post erhalten, in dem die Täter sich ihrer Verbrechen rühmen und ihre Opfer verhöhnen.

Als die Journalisten die Bundesanwaltschaft informierten, dass diese DVD wohl persönlich zugestellt wurde, hätten die Ermittler "aufgemerkt", erfuhr sueddeutsche.de aus der Redaktion. Sie gingen bisher offenbar davon aus, dass die mutmaßliche Terroristin Beate Z. die DVDs nur per Post versandt hatte, an zwei Büros der Linken in Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie den MDR. Der Spiegel kaufte ein Exemplar einem Bericht des NDR zufolge vom Antifaschistischen Pressearchiv in Berlin. Ob es sich dabei um eine Kopie handelt oder ein von den Terroristen selbst erstelltes Exemplar, ist bisher unklar.

Die DVD haben die Journalisten der Nürnberger Polizei übergeben. Die Behörde bestätigte sueddeutsche.de den Erhalt, will aber keinerlei Auskünfte über die Untersuchung geben und verweist auf den Generalbundesanwalt in Karlsruhe. Dort erklärte ein Sprecher auf Anfrage von sueddeutsche.de, dass nach derzeitigem Kenntnisstand insgesamt sieben DVDs an verschiedene Stellen versandt wurden.

Das Nürnberger Päckchen deutet daraufhin, dass Z. während ihrer Tage auf der Flucht einem Helfer die DVD übergab oder sie ihm per Post schickte. Derjenige warf sie dann bei der Zeitung ein. Unklar ist, ob diese Person auch wusste, was für brisantes Material sie transportierte. Dass Z. selbst von Thüringen nach Nürnberg fuhr, ist unwahrscheinlich. Am Dienstag vergangener Woche stellte sie sich auf einer Polizeiwache in Jena.

Nachdem ihre mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sich selbst in einem Wohnmobil getötet hatten, war Z. für einige Tage untergetaucht. Zuvor hatte sie das Wohnhaus des Trios in Zwickau in die Luft gesprengt - wohl, um Beweise zu vernichten. In der Ruine fanden Ermittler Bekenner-DVDs. Sie sollen an Medien und islamische Kulturzentren adressiert worden sein.

Dass die Nürnberger Nachrichten zufällig Adressat des Päckchens geworden sind, ist unwahrscheinlich. Schließlich beging das Trio drei seiner zehn Morde in Nürnberg. Für mindestens einen davon müssen die Täter sich in der Stadt ausgekannt haben. Abdurrahim Özüdogru erschossen sie 2001 in einer Schneiderei in der verwinkelten Südstadt. Ein möglicher Hinweis auf einen Helfer mit Ortskenntnis. Verwunderlich wäre das nicht: Die nordbayerischen Neonazis unterhalten gute Beziehungen zur Thüringer Szene, schon aus geographischen Gründen. Bei einschlägigen Treffen in Franken wurden stets auch viele Autos mit ostdeutschen Kennzeichen gesichtet.

Den Redakteuren der Nürnberger Nachrichten ist aufgefallen, dass die Macher der DVD mehrfach Ausschnitte aus den Berichten der Regionalzeitung über die Mordserie einblenden. Das Blatt ist in Ostdeutschland kaum erhältlich. Kaufte ein Komplize die Zeitung direkt nach den Taten für seine Kameraden?

Von einer Verbindung der Zelle nach Bayern war den Behörden bisher offiziell nichts bekannt. Ende 1998 oder Anfang 1999 sollen zwar auf dem Konzert eines rechtsextremen Liedermachers im oberfränkischen Coburg Spenden für das untergetauchte Trio gesammelt worden sein - allerdings hatten Mundlos, Böhnhardt und Z. damals noch nicht begonnen zu morden.

Auf die Nürnberger DVD ist die Zeichentrickfigur Paulchen Panther aufgedruckt, sie salutiert. "Frühling" steht auf der Scheibe und "DVD 1" - unheimliche Hinweise, dass ein weiterer Film zumindest geplant war. In die Montage haben die Nazis viel Arbeit gesteckt: Der Panther "führt" den Zuschauer durch Schlagzeilen über die Verbrechen durch Videobilder der Orte und Tatwaffen: Glassplitter, Nagelbomben, Nahaufnahmen eines Mordopfers. Dazu Reime von Paulchen Panther und die Nazi-Parolen des Nationalsozialistischen Untergrunds.

Die Nachwirkungen des Falls beschäftigen auch die Nürnberger Justiz. Nun hat eine SPD-Abgeordnete einen örtlichen Funktionär der NPD-nahen "Initiative Ausländerstopp" wegen Volksverhetzung angezeigt. Er soll auf seinem Facebook-Profil ein Bild von einem der Nürnberger Tatorte gepostet und mit den Worten kommentiert haben: "Tod dem Döner - es lebe die Bratwurst". Zudem kommentierte er: "Wenn wir Glück haben, verschwinden erst die Dönerbuden und dann der Rest von der Mischpoke."

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