Süddeutsche Zeitung

Rechter Flügelkampf:Zwei AfD-Stiftungen konkurrieren um Millionen vom Staat

  • Die AfD strebt eine politische Stiftung an, die viel Geld vom Staat bekommen könnte. Solche Stiftungen werden mit Millionen gefördert.
  • Zwei Vereine konkurrieren um den Zuschlag. Sie werden im internen Konflikt den verschiedenen Lagern der AfD zugeordnet.
  • Die Vorsitzenden beider Stiftungen kritisieren die jeweils andere Organisation deutlich. Die Parteispitze wollte sich bislang nicht äußern.

Von Sebastian Jannasch und Jens Schneider, Berlin

Nach ihrem Einzug in den Bundestag will die AfD jetzt eine parteinahe politische Stiftung auf den Weg bringen, die staatliches Fördergeld in Millionenhöhe erhalten könnte. Dabei wird intern heftig darüber gestritten, welche Stiftung von der Partei offiziell benannt wird. Um die Gunst konkurrieren derzeit vor allem zwei Vereine, beide sind aus der AfD heraus entstanden.

Die Auseinandersetzung spiegelt in ihrer Heftigkeit und mit vielen Wendungen die Zerrissenheit der AfD wider. Dabei sind die Namen der beiden Vereine zum Verwechseln ähnlich, was die Konkurrenz nicht geringer macht. An diesem Freitag könnte der Bundesvorstand eine Vorentscheidung treffen.

Um die Anerkennung durch die Partei bewirbt sich einerseits die "Desiderius-Erasmus-Stiftung", die seit zwei Jahren nach vielen Häutungen, Personalwechseln und Streit derzeit in der AfD mit Regionalkonferenzen für sich wirbt. Geführt wird sie vom Juristen Rainer Gross, einem AfD-Mitglied aus Bayern. Zu dem Verein gehören die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, und Parteichef Jörg Meuthen.

Die interne Konkurrenz heißt "Akademische Erasmus-Stiftung", sie wurde in diesem Sommer gegründet. Die Vorsitzende Victoria Tuschik ist Justiziarin der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt, die von André Poggenburg geführt wird, einem rechtsnationalen Vertrauten des AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Im internen Konflikt werden die Stiftungen den verschiedenen Lagern der AfD zugeordnet.

Die Partei könnte Klage einreichen, wenn sie das Geld nicht bekommt

Etwa eine halbe Milliarde Euro stellt der Bund jährlich für politische Stiftungen zur Verfügung, die den im Bundestag vertretenen Parteien nahestehen. Die Stiftungen sind zwar von Parteien initiiert, müssen aber organisatorisch von ihnen unabhängig sein und politisches Engagement animieren. Weder dürfen sie Wahlkampfhilfe leisten noch in die Parteiarbeit eingebunden sein.

In der Realität sind sie dennoch eng verwoben. Die Parteien profitieren vor allem von der Bildungsarbeit ihrer Stiftungen. Dort wird häufig der Nachwuchs herangezogen, fachlich und rhetorisch geschult. Die Stiftungen finanzieren auch Stipendien für Studenten und politische Forschung, sie organisieren für interessierte Bürger und Parteimitglieder Seminare und Konferenzen im Sinne ihrer Weltanschauung.

Dem Bundesverfassungsgericht zufolge steht allen "dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen" die Förderung zu. "Was darunter genau zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht geregelt", sagt Heike Merten, Leiterin des Düsseldorfer Instituts für Parteienrecht. In der Praxis werde es so ausgelegt, dass eine Partei mindestens zweimal in den Bundestag gewählt werden muss, um Anspruch auf die Mittel zu haben. "Ich halte es für vorstellbar, dass ein Gericht dieser Interpretation nicht folgt, wenn die AfD Klage einreichen sollte." Die Partei könnte vor dem Bundesverfassungsgericht argumentieren, dass sie eine bedeutende politische Kraft ist und die Verweigerung der Mittel gegen die politische Chancengleichheit verstoße.

"Wenn die AfD nun Anspruch auf Geld erhebt, könnte das ein Anlass für die Politik sein, endlich mit einem Gesetz Klarheit zu schaffen", sagt Parteienrechtlerin Merten. Wie viel Geld die Stiftungen erhalten, hängt davon ab, wie stark ihre Parteien bei den Wahlen abschneiden. Derzeit einigen sich die Stiftungen der Expertin Merten zufolge auf einen Verteilungsschlüssel für das Geld, der vom Bundestag im Haushalt angewendet wird. Sollte die AfD einen Anspruch haben, könnte sie wohl mit einem zweistelligen Millionenbetrag rechnen.

Als Favorit in der AfD gilt die "Desiderius-Erasmus-Stiftung", kurz DES. In den letzten Monaten seien "Machtkämpfe aus der Partei in die Debatte über die Stiftung hineingetragen worden", sagt Götz Frömming. Der Berliner, inzwischen Bundestagsabgeordneter, ist Mitgründer der DES. Vor der Sitzung des Bundesvorstands warnen Mitglieder der AfD-Spitze, man müsse die konkurrierende Stiftung unbedingt verhindern, weil sie dem vom Rechtsaußen Höcke bestimmten "Flügel" nahestehe.

"Jeder soll sich um seine Sachen kümmern" sagt der DES-Chef Gross

Deren Vorsitzende Tuschik wiederum beansprucht für ihren Verein die voraussichtlich lukrative Rolle als bundesweite parteinahe Stiftung der AfD. "Die Desiderius-Erasmus-Stiftung ist gar nicht rechtsfähig", sagt sie über den Wettbewerber. "Das wäre aber wichtig, um etwa Fördergeld zu beantragen. Sie macht auch noch keine Veranstaltungen. Es gibt sie im Grunde noch gar nicht." Ihr Verein sei eingetragen, rechtsfähig und gemeinnützig, zudem längst aktiv. Sollte der Bundesvorstand sich "an diesem Freitag für die DES entscheiden, würde mich das deshalb sehr befremden", sagt Tuschik.

In ihrem Verein gebe es Mitglieder aus dem "Flügel", er sei aber gleichmäßig besetzt. Der Konkurrenz wirft sie vor, einseitig aufgestellt zu sein: "Sie werden dort niemanden aus dem Flügel finden. Das halte ich nicht für richtig, denn Ausgrenzungen sind absolut der falsche Weg."

Auf der Gegenseite antwortet der Vorsitzende Gross, dass "Unterstellungen und Verdächtigen nicht weiterhelfen". Der Verein sei als gemeinnützig anerkannt, die rechtliche Eintragung auf dem Weg. "Jeder soll sich um seine Sachen kümmern", sagt Gross. "Ich möchte das als Wettbewerb der Ideen und Konzepte verstehen." Die von ihm angestrebte Stiftung solle für "freiheitliche, konservative, patriotische Werte" stehen und Themen diskutieren, "die innerhalb der AfD eine Rolle spielen, ohne uns auf die Partei zu beschränken". Die Frage der Stiftung sei doch kein gutes Feld für Parteikämpfe.

Für die internen Konflikte stellt er sich eine "gewisse Befriedungsfunktion" durch die Stiftung vor. "Bei uns können die Auseinandersetzungen dann in geordneter Form geführt werden." Es gibt, der Streit zeigt es, Bedarf für solche Formen. Von Parteichef Meuthen ist zu hören, dass er größere Baustellen kenne, er will sich vor Freitag nicht zum Wettstreit äußern.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2017/jsa
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