Rechte von Schwulen und Lesben:Rolle rückwärts in Kroatien

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Noch im Juni fand in Zagreb eine Homosexuellen-Parade statt. (Foto: AFP)

EU-Neuling Kroatien vertritt bislang die liberalste Haltung gegenüber Homosexuellen auf dem Balkan. Doch bei einer anstehenden Volksabstimmung zur Frage gleichgeschlechtlicher Ehen könnte sich das ändern - mit weitreichenden Folgen für die Region.

Von Florian Hassel, Belgrad

Der 1. Dezember wird Zeljka Markics großer Tag. Dann entscheiden die Bürger des jüngsten EU-Mitglieds Kroatien in einer Volksabstimmung über folgende Frage: "Sind Sie dafür, dass in die Verfassung Kroatiens ein Artikel aufgenommen wird, nach dem Ehe die lebenslange Gemeinschaft zwischen einer Frau und einem Mann ist?" Stimmt die Mehrheit mit Ja, wird es in Kroatien keine gleichgeschlechtlichen Ehen geben können. Niemand hat so viel für das Referendum getan wie Zeljka Markic, eine 49 Jahre alte, der katholischen Kirche nahestehende Unternehmerin und treibende Kraft der Bürgergruppe "Im Namen der Familie".

Der kroatischen Mitte-Links-Regierung passt dieses Referendum überhaupt nicht. Schließlich hat das offizielle Kroatien im vergangenen Jahrzehnt auf dem gesellschaftlich konservativen Balkan gegenüber Schwulen und Lesben die liberalste Haltung überhaupt eingenommen, wie die Homosexuellen-Lobby Ilga der Regierung bescheinigte. Junge Polizisten etwa werden mittlerweile in ihrer Ausbildung über die Rechte von Schwulen und Lesben informiert. Im Juni nahm die Frau des Regierungschefs demonstrativ an Zagrebs 12. Gay-Pride-Parade teil.

Doch Kroatien ist auch ein katholisches Land. Und so unterstützten sowohl die katholische Kirche wie auch die oppositionelle konservative Kroatische Demokratische Union die zuvor unbekannte Bürgergruppe "Im Namen der Familie". In nur wenigen Monaten sammelten die Gegner einer Gleichberechtigung von Homosexuellen ganze 749.316 Unterschriften unter 4,3 Millionen Kroaten. So blieb der Regierung nichts anderes übrig, als die Volksbefragung für den 1. Dezember anzusetzen. Zwar beklagte Regierungschef Zoran Milavonic den "Mangel an Toleranz" gegenüber Schwulen und Lesben, der hinter dem Referendum stehe, und kündigte an, er werde mit Nein stimmen - die Mehrheit aber dürfte anderer Meinung sein.

Ändert Kroatien nach dem Referendum seine Verfassung, könnten die Rumänen bald folgen. In Bukarest hat bereits eine für eine Verfassungsreform zuständige Kommission unter dem Beifall der orthodoxen Kirche im Juni einen Zusatz gebilligt, der die Ehe ausschließlich als Beziehung zwischen Mann und Frau anerkennt. Bisher definierte die Verfassung Ehe als Beziehung "zwischen Ehegatten". Auch das Parlament dürfte bald für den Zusatz stimmen. Anders ist es beim ebenfalls in die Europäische Union strebenden Mazedonien: Dort fiel die konservative Regierung Ende September mit ihrem Versuch durch, die Verfassung zu ändern und die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau festzuschreiben - freilich definiert schon ein Gesetz aus den 1990er Jahren Ehe ausschließlich als heterosexuelle Verbindung.

Homosexuelle auf dem Balkan blicken bei der Durchsetzung ihrer Bürgerrechte in erster Linie nach Brüssel: Der Amsterdamer Vertrag von 1997 gab der EU in Artikel 19 die Vollmacht, "gegen Diskriminierung vorzugehen, die auf dem Geschlecht, rassischer oder ethnischer Herkunft, Religion oder Glauben, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung beruht". EU-Länder oder auch Kandidaten müssen seit 2003 etwa Gesetze gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz erlassen.

Regelung der Ehe ist nicht in der Hand der EU

Doch mögliche Diskriminierung umfasst bisher nicht die Frage der Ehe - deren Regelung ist den EU-Mitgliedsländern überlassen. Und so erlauben zehn europäische Länder von Belgien und England bis zu Spanien und Schweden heute gleichgeschlechtliche Ehen - nicht jedoch Deutschland, wo Schwulen und Lesben weiterhin nur die Lebenspartnerschaft als Ehe-Alternative offensteht. Litauen und Lettland, Polen, Ungarn und Bulgarien haben die Ehe als ausschließlich heterosexuell festgeschrieben, womit ihnen der sehr liberale Weg Englands oder Spaniens versperrt ist.

Auf dem Balkan haben es Homosexuelle zudem schwer, wenn sie öffentlich für ihre Rechte eintreten wollen. In Podgorica, Hauptstadt des EU-Kandidaten Montenegro, konnten etwa 150 Schwule und Lesben zwar am 20. Oktober ihre erste Gay-Parade abhalten - doch nur, weil gut 2000 Polizisten sie vor Dutzenden Steinewerfern schützten. Im EU-Kandidaten-Land Serbien knickte die Regierung Ende September wieder vor der Mehrheit ihrer Bürger ein, vor der mächtigen orthodoxen Kirche und vor allem vor der Gewaltbereitschaft einiger tausend Rechter: Sie verbot wenige Stunden vor dem geplanten Beginn eine Schwulenparade in Belgrad.

In Mazedoniens Hauptstadt Skopje wurde im Juni ein Schwulen- und Lesbenzentrum von Hooligans angegriffen. Und obwohl Überwachungskameras die unmaskierten Verbrecher aufnahmen, kann die Polizei sie angeblich nicht finden. Nicht nur Schwule und Lesben leiden unter dem rückständigen Kurs Mazedoniens: Seit einem neuen Gesetz vom Juni müssen Frauen Abtreibungen von einer Kommission genehmigen lassen und nachweisen, dass sie ihren Partner informiert haben sowie Beratungen beim Gynäkologen und Sozialdienst absolviert haben.

© SZ vom 25.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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