Rechtsextremismus:Kassel erwartet den Ausnahmezustand

Walter Lübcke

Walter Lübcke war am 2. Juni in seinem Haus im Landkreis Kassel erschossen worden. Der Generalbundesanwalt geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus.

(Foto: Uwe Zucchi/DPA)
  • Sieben Wochen nach dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke hat die rechtsextremen Splittergruppe "Die Rechte" zu einer Kundgebung in Kassel aufgerufen.
  • Die Polizei erwartet bis zu 500 Teilnehmer. Ein Bündnis gegen Rechts hat zahlreiche Gegenveranstaltungen angemeldet, gerechnet wird mit mehrere tausend Demonstranten.

Von Susanne Höll, Kassel

Im nordhessischen Kassel wird der Ausnahmezustand befürchtet. In der Innenstadt wollen sich Menschen zu etlichen Protestmärschen einfinden, Busse und Bahnen bleiben in den Depots, zentrale Straßen werden für den Autoverkehr gesperrt. Die Stadt ist sozusagen lahmgelegt. Anlass ist eine Demonstration der rechtsextremen Splittergruppe "Die Rechte", die ausgerechnet am 75. Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler zu einem Marsch durch Kassel aufgerufen hat und ursprünglich plante, am Regierungspräsidium eine Kundgebung zu veranstalten.

Dort arbeitete der nordhessische Regierungspräsident Walter Lübcke, bis er am 2. Juni mutmaßlich von einem Neo-Nazi erschossen worden war. Für Demokraten, nicht nur in Kassel sondern weit über die Stadt hinaus, ist das eine Provokation. Zahlreiche Gruppen und Organisatoren haben zu Protestveranstaltungen aufgerufen. Sie werden in der Überzahl sein: Die Polizei rechnet mit rund 500 Anhängern der Rechtsextremen und mehreren tausend Gegendemonstranten.

Die Stadt hatte vergeblich versucht, den Umzug der Rechten zu verhindern, unterlag aber vor den Verwaltungsgerichten. "Auch wenn uns von Beginn an bewusst war, dass die Hürden für eine Verbotsverfügung sehr hoch sind, wollten wir als Stadt nichts unversucht lassen, die Versammlung beziehungsweise den Aufmarsch in der Innenstadt oder vor dem Regierungspräsidium zu verhindern", sagte Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD). Einen Erfolg konnten die Kasseler Politiker aber verbuchen: Der Aufmarsch der Neonazis darf nun nicht mehr im Kern der City stattfinden, das Regierungspräsidium sollen sie nicht passieren dürfen.

Die Gegendemonstranten, ein buntes Bündnis unterschiedlichster Organisationen von Parteien, Gewerkschaften, Europa-Aktivisten und auch älteren Damen, die sich nach österreichischem Vorbild zu einer Gruppe "Omas gegen Rechts" zusammengefunden haben, wollen sich ihnen in den Weg stellen. Friedlich soll es bleiben, sagen die Nazi-Gegner. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vertreten, wird unterstützt von Beamten aus ganz Hessen und anderen Bundesländern.

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