Es ist eben oft verwirrend, wenn altes Recht auf neue Wirklichkeit trifft. Altes Recht heißt beim Thema Familie: Mann und Frau sind verheiratet und haben gemeinsame Kinder. Da muss man nicht rätseln, wer Vater und wer Mutter ist, das Recht liebt geordnete Verhältnisse. Es gibt auch Regeln für die Elternschaft jenseits der Traditionsfamilie - für unverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare, für Patchworkverhältnisse. Aber mit der Revolution der Reproduktionstechniken stellt sich die alte Frage ständig neu: Wer ist Vater? Wer ist Mutter?
Beim Bundesverfassungsgericht ist seit Kurzem ein solcher Rätselfall anhängig. Eine Deutsche und eine Französin haben beim Standesamt Köln einen Lebensbund geschlossen und sich anschließend ihren Kinderwunsch erfüllt. Die Französin ließ sich - in Belgien, wo das erlaubt ist - eine per Samenspende befruchtete Eizelle ihrer Partnerin einsetzen und gebar vor zwei Jahren einen Sohn. In der Geburtsurkunde ist sie nun als Mutter eingetragen. Dagegen bleibt ihre Lebenspartnerin rechtlich außen vor - obwohl sie die genetische Mutter ist. Jugendamt, Amtsgericht, Oberlandesgericht, sie alle wollen ihre Mutterschaft nicht anerkennen, weil das Bürgerliche Gesetzbuch eindeutig sei: "Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat", heißt es in Paragraf 1591. Sie möge das Kind doch bitte adoptieren.
Rechtsanwältin Rita Coenen aus Münster hat die Verfassungsbeschwerde formuliert, sie hält die Adoption für einen langen und riskanten Weg. Wenn das Paar sich vorher trenne, dann bleibe der Co-Mutter womöglich nur ein gelegentliches Besuchsrecht, selbst wenn sie das Kind jahrelang betreut und dafür ihren Beruf aufgegeben habe. Und noch schlimmer: Was, wenn die rechtlich anerkannte Mutter stirbt? Das Kind stünde ganz ohne Eltern und Unterhaltsansprüche da.
Ihr Argument: Das Gesetz privilegiert die Hetero-Väter gegenüber den Homo-Müttern. Für Verheiratete gilt ein Vater-Automatismus, wenn das Kind auf die Welt kommt, ansonsten können sie die Vaterschaft anerkennen. Wer Mutter neben einer Mutter werden will, muss dagegen die Adoptionsprozedur beim Jugendamt überstehen, bei der theoretisch sogar der Samenspender Einwände erheben könnte. Bund fürs Leben, genetische Elternschaft, soziale Familie? Die Verhältnisse mögen noch so geordnet sein, einen einfacheren Weg sieht das Gesetz nicht vor.
Dabei hat die Rechtsprechung rasante Fortschritte im Umgang mit neuen Familienformen gemacht. Das Verfassungsgericht hat 2013 das Sukzessiv- Adoptionsrecht homosexueller Paare anerkannt. Und der Bundesgerichtshof hat - trotz Leihmutterverbot - einem schwulen Paar recht gegeben, das in Kalifornien ein Leihmutter-Kind bekommen hatte. Weil sie dort als Väter anerkannt seien, müsse dies auch hier gelten, zum Schutz des Kindes.
Trotzdem ist ein Erfolg der Mütterklage ungewiss, sie könnte eher ein Fall für den Gesetzgeber sein. Im Frühjahr hat das Bundesjustizministerium den Arbeitskreis "Abstammungsrecht" etabliert, doch in dieser Legislaturperiode wird das nichts mehr. Die Co-Mutter hat jedenfalls vorsichtshalber die Adoption beantragt.