Recht auf Vergessen:Schutz vor Google und Facebook

Netzwerkkabel

Stecker ziehen: Gestärkt werden soll in der neuen Datenschutzgrundverordnung EU-weit das Recht auf Vergessen.

(Foto: Felix Kästle/dpa)

Die Innen- und Justizminister der EU haben sich auf eine Datenschutzreform verständigt. Gestärkt werden soll vor allem das Recht der Bürger, Informationen im Internet löschen zu lassen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Die Europäische Union ist ihrem Ziel, die Kleinstaaterei im Internet zu überwinden, einen Schritt nähergekommen. Die Innen- und Justizminister verständigten sich am Montag in Luxemburg auf eine EU-Datenschutzreform. Sie soll den Schutz der Bürger vereinheitlichen und die Rechte gegenüber großen Konzernen wie Google und Facebook stärken. "Das ist ein großer Schritt für die Bürgerinnen und Bürger, für die europäische Wirtschaft und für Europa selbst", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

"Wenn die Welt zusammenwächst, wenn das Internet weltweit funktioniert, dann macht es keinen Sinn, 28 europäische Datenschutzregeln zu haben", betonte der Minister. Am 24. Juni sollen die Verhandlungen mit dem Europaparlament beginnen. Bis Ende des Jahres wird eine endgültige Einigung angestrebt.

Gestärkt werden soll in der neuen Datenschutzgrundverordnung EU-weit das Recht auf Vergessen. Es gibt Bürgern das Recht, personenbezogene Daten über das Privat- oder Berufsleben sowie Fotos im Web löschen zu lassen. Sie können auch von Suchmaschinen verlangen, Verweise zu Inhalten, die das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz verletzen, zu entfernen. Auch außereuropäische Unternehmen müssen künftig EU-Regeln befolgen, wenn sie Dienstleistungen in der EU anbieten.

"Die neue Verordnung wird jedem einzelnen Bürger der Europäischen Union eine stärkere Kontrolle über die eigenen Daten geben", versicherte der lettische Justizminister Dzintars Rasnacs. Lettland hat noch bis Ende Juni die EU-Ratspräsidentschaft inne und die Harmonisierung des Datenschutzes als eine seiner Prioritäten vorangetrieben. "Ich möchte nicht verhehlen, dass ich zufrieden bin", sagte Rasnacs. Er hob hervor, dass EU-Bürger sich künftig in der eigenen Sprache an die Datenschutzbehörde im eigenen Land wenden können, selbst wenn es um eine Beschwerde wegen eines Verstoßes in einem anderen EU-Land geht. Für Unternehmen sei vorteilhaft, dass sie es in Datenschutzfragen künftig nur mit einer statt bisher mit 28 nationalen Behörden zu tun hätten.

Als "Kernelement des digitalen Binnenmarktes" bezeichnete die EU-Justizkommissarin Věra Jourová die geplanten Regeln für das Internet. Das "hohe Maß an Schutz" werde das Vertrauen der Bürger in die digitale Wirtschaft stärken. Bei der Reform werde darauf geachtet, dass die Tür für Innovationen nicht geschlossen werde. Einen "enormen Schritt nach vorne verglichen mit der heutigen Fragmentierung" bedeute für die Unternehmen die Beschränkung auf nur eine Kontrollbehörde. Die EU-Kommission rechnet mit Einsparungen von etwa 2,3 Milliarden Euro im Jahr durch die Verringerung des Verwaltungsaufwands für Unternehmen. Dies werde insbesondere kleinen und mittleren Betrieben zugutekommen. Beseitigt werden soll auch unnötiger bürokratischer Aufwand, etwa durch Meldepflichten für Unternehmen.

Der hohe Standard des deutschen Datenschutzes soll gewahrt bleiben

Gestärkt werden sollen auch die Befugnisse der nationalen Datenschutzbehörden. Sie erhalten das Recht, Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen, die gegen EU-Datenschutzregeln verstoßen. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht Strafzahlungen von bis zu einer Million Euro vor. Über die mögliche Höhe solcher Strafen wird aber noch diskutiert.

Umstritten ist überdies, welche Art von Zustimmung zur Weiterverarbeitung von Daten erforderlich sein soll. Einige Staaten verlangen ebenso wie das Europaparlament, dass der Nutzer explizit zustimmt. Der hohe Standard des deutschen Datenschutzes werde gewahrt, versicherte Minister de Maizière. "Deutschland hat eine große Datenschutztradition und die Absicht, diese Datenschutztradition auch zu verteidigen", sagte er. Der Innenminister räumte ein, dass es noch Streitpunkte gebe, schließlich müssten 28 nationale Rechtskulturen zusammengeführt werden. "Heute hat man gesehen, dass Europa funktioniert Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher werden profitieren, wenn überall das gleiche Recht angewandt wird", sagte Bundesjustizminister Heiko Maas.

In den Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament hoffe er auf eine Einigung noch in diesem Jahr, sagte Jan Philipp Albrecht, Grüner EU-Abgeordneter und Berichterstatter des Europäischen Parlaments für die Reform der Datenschutzgrundverordnung. "Vor allem bei Verbraucherrechten und Unternehmenspflichten gehen die Vorschläge noch auseinander", sagte Albrecht. Wenn alle Seiten für pragmatische Kompromisse offen seien, stehe einer schnellen Einigung aber nichts im Wege. "Das wäre ein Segen für alle Beteiligten. So könnten wir zeigen, dass die Europäische Union Vorreiterin ist für Regeln im digitalisierten Zeitalter", sagte er.

Die neuen Regeln sollen die veraltete Datenschutzrichtlinie aus dem Jahre 1995 ersetzen. Sie trägt weder der heutigen Bedeutung des Internets noch der sozialen Netzwerke Rechnung.

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