Rechnungshof:300 Aktenordner verschimmeln in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufkärung

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Belege über 13,7 Millionen Euro sind ungeprüft im Keller vergammelt. Jetzt hat die Behörde ein Problem mit dem Bundesrechnungshof.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Das Grundgesetz kennt eine Präambel, die Europäischen Verträge auch. Und ebenso die "Arbeitshilfe Umgang mit Schimmel in Archiven", herausgegeben vom Deutschen Städtetag.

Die ersten beiden Sätze der Präambel dieser viel zu selten zitierten Schrift lauten: "Schimmelpilze sind aller Orten anzutreffen und unersetzlich wichtig im Stoffkreislauf der Natur. Sie können jedoch unter bestimmten Umständen in Innenräumen und insofern auch in Archiven schädlich sein."

Das ist, ohne zu viel vorweg zu nehmen, vollkommen richtig. Und hätte in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, kurz BZgA, jemand auf die Kollegen aus den Kommunen gehört, vielleicht hätten sie sich manchen Ärger ersparen können.

Das Kürzel BZgA dürfte jeder schon einmal gesehen haben, der die Plakate mit den Kondomen kennt. "Machs´mit" ist der einprägsame Slogan der BZgA-Kampagne "Gib Aids keine Chance". Die Bundeszentrale vergibt und kontrolliert außerdem Zuschüsse aus der Bundeskasse für Hilfs- und Beratungsprojekte. Um diese Zuschüsse geht es bei der Sache mit dem Schimmel.

Mach´s mit ... Schimmelschutz

Der Verein "Deutsche Aids Hilfe" etwa bekommt seit Jahrzehnten Millionen Euro von der BZgA. Die muss die Rechnungen der Aids Hilfe regelmäßig kontrollieren. Jetzt aber gibt es ein Problem, das womöglich nicht entstanden wäre, wenn die BZgA auf ihren eignen Slogan gehört hätte: "Mach´s mit" - diesmal mit Schimmelschutz.

Irgendwie nämlich sind die Rechnungsbelege der Aids Hilfe aus den Jahren 2003 bis 2006, sagen wir wir es gerade heraus: verschimmelt. So steht es in einem Brief vom 17. März, den Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, an den Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages geschickt hat.

Geschehen ist dies in einem neun Quadratmeter großen Kellerraum in Köln-Merheim, wie die BZgA auf Nachfrage bestätigt. Das Gebäude wurde bis 2015 von der BzGA genutzt. Alles in allem sind rund 300 Aktenordner der Aids Hilfe betroffen. Sie wurden zwischen Februar und April 2015 vorsichtshalber vernichtet.

Das wäre an sich nicht so dramatisch. Die BzGH hätte die Rechnungsbelege der Aids Hilfe damals schließlich längst geprüft haben müssen, am besten noch bevor sie 2010 in besagtem Keller vergessen wurden. Hat sie aber nicht. Hat sie nie.

Tausende Akten sind hinüber

Irgendwann im Jahr 2013 hat ein "Sachverständiger" den Schimmelbefall festgestellt. Sämtliche Akten in dem Kellerraum mussten vernichtet werden. Der gesamte etwa 700 Quadratmeter große Keller musste hernach luftdicht versiegelt werden. Mehrere tausend Akten waren hinüber. Eine mögliche "Dekontamination" der Aids-Hilfe-Akten wäre zu teuer gewesen, heißt es in dem Brief aus dem Gesundheitsministerium.

Mindestens drei Jahre lang also gammelten die Rechnungsakten der Aids Hilfe in einem Kellerraum der BZgA ungeprüft vor sich hin. Es geht dabei um Rechnungsbelege im Gegenwert von zusammen 13,7 Millionen Euro.

Und warum sind die Akten nie geprüft worden? Staatssekretär Treppe begründet das mit "personellen Engpässen" in der BZgA. Außerdem sei das Fördervolumen der BZgA damals von 3,5 auf 5 Millionen Euro jährlich angewachsen. Ohne aber das neue Stellen für die Rechnungsprüfung geschaffen worden seien. Also ab in den Keller mir den Akten. Und vergessen.

Schöner Nebeneffekt

Für die Aids-Hilfe hatte das einen schönen Nebeneffekt. Bis Ende 2005 hatte sie sich aus Spenden und Erbschaften ein Polster in Höhe von 5,7 Millionen Euro zulegen können.

Das ist gut für die Aids-Hilfe. Der Bundesrechnungshof hat da allerdings einen etwas anderen Blick drauf. Denn der Bund gibt zwar gerne Geld für die Aids Hilfe. Aber nur, wenn sie das Geld wirklich nötig hat. Die BZgA hätte also eigentlich erst abwarten müssen, bis die Aids Hilfe ihre Rücklagen aufgebraucht hat, bevor sie neues Geld nachschießt.

Der Bundesrechnungshof ist der Schimmel-Affäre überhaupt erst auf die Spur gekommen. Seit Jahren hatte er angemahnt, die BZgA möge doch bitte die offensichtlich fehlenden Prüfberichte für die Aids Hilfe aus den Jahren 2003 bis 2006 nachreichen. Immer vergeblich. Jetzt ist klar, warum.

Merke: Schimmelpilz im Keller ist ein Risiko für die Gesundheit, für Akten und für den Steuerzahler. Findet jedenfalls die Grünen-Politikerin Ekin Deligöz, stellvertretende Vorsitzende im Bundestags-Ausschuss für Rechnungsprüfung. "Hier war eine ordentliche Portion Nachlässigkeit im Spiel", sagt sie.

Deligöz gibt der BZgA noch den Tipp einer guten Hausfrau mit auf den Weg: "Schimmel vermeidet man durch Lüften. Das kann auch gegen dicke Luft mit dem Rechnungshof helfen."

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