Katholische Kirche in Österreich:Wider die Heuchelei

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Offene Rebellion im Klerus der Alpenrepublik: Hunderte österreichische Priester wollen Papst und Bischöfen den Gehorsam verweigern. Erstmals in so großer Zahl verlangen Geistliche zeitgemäße Antworten auf die Kommunion für Geschiedene, Frauen in Kirchenämtern und das Tabu von Priester mit Frauen und Kindern. Ein Erzbischof droht mit Kirchenausschluss als Antwort auf das Menetekel.

Michael Frank, Wien

Im Klerus der katholischen Kirche Österreichs herrscht offene Rebellion. Ein hoher Geistlicher orakelt gar über eine bevorstehende "Kirchenspaltung", denn erstmals wollen Priester in großer Zahl Papst und Bischöfen ausdrücklich den Gehorsam verweigern.

In Österreich fordern 300 Geistliche Reformen in der katholischen Kirche. (Foto: AP)

Die bislang gut 300 Geistliche umfassende "Priesterinitiative" ist der "hinhaltenden" Taktik der Amtskirche müde und fordert Revolutionäres: Laien sollen predigen und Gottesdienste leiten; wiederverheiratete Geschiedene die Kommunion empfangen; Priester, die gegen die Kirchenregel Frau und Kinder haben, sollen als Seelsorger arbeiten; Frauen sollen wichtige Aufgaben übernehmen und zu Priesterinnen geweiht werden.

Christoph Kardinal Schönborn, Wiener Erzbischof und Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz, droht den Rebellen mit dem Kirchenausschluss. Betroffen wären allerdings nicht irgendwelche Obskuranten. Sprecher und Mitglieder sind gewichtige Kleriker wie Helmut Schüller, lange Jahre Generalvikar des Erzbistums Wien und Caritasdirektor, sowie der Dompfarrer des Bistums Gurk in Kärnten. Der Forderungskatalog beschreibt eigentlich nur altbekannte, aber niemals angepackte Grundprobleme der Kirche.

Nun verlangen die Priester, dass sich die Gemeinden offen über Verbote der Hierarchie hinwegsetzen. Nur so könnten sie der Wirklichkeit des Glaubens- und Gemeindelebens gerecht werden und es gebe weniger Heuchelei. Den Aufruf von Papst Benedikt XVI. in Madrid an die Jugend der Welt zu mehr "Ehrlichkeit" hörten denn auch viele österreichische Gläubige ungern. Ehrlichkeit werde von der Kirchenstruktur eher bestraft als belohnt, sagen sie.

Besonders betroffen fühlen sich die etwa 700 Mitglieder der Vereinigung "Priester ohne Amt", Geistliche, die trotz Zölibat Frau und Kinder haben und sich zu diesen bekennen. Ihr Amt müssen sie dann aufgeben. Priester, die Geliebte und Nachwuchs verleugnen, werden gewöhnlich im Amt belassen, wodurch sich nach Kritikermeinung der Papstappell zur Ehrlichkeit ins Groteske wendet.

Offener Druck und Ungehorsam soll die Hierarchie zu Taten nötigen

Nach Ansicht von Initiativen-Gründer Schüller können nur offener Ungehorsam und der gemeinsame Druck von Priestern und Gläubigen die Hierarchie zu Taten nötigen. Obwohl die Probleme seit Jahrzehnten bekannt seien, halte die Amtskirche alle hin. Kardinal Schönborn erklärte, die Kritiker müssten sich "Gedanken über ihren Weg in der Kirche machen", sonst seien Konsequenzen unausweichlich. Anton Zulehner jedoch, Priester und einer der angesehensten Pastoraltheologen Österreichs, glaubt, dass die Kirche diesmal nicht mit Beschwichtigung auskomme.

Vor 20 Jahren war Österreich nominell zu 85 Prozent katholisch. Heute ist die Stadt Wien amtlich nicht einmal mehr zur Hälfte katholisch, auch die Landgemeinden schmelzen ab. Dazwischen liegen Missbrauchsskandale wie jener um den früheren Wiener Erzbischof Hans-Hermann Kardinal Groer, die Ernennung einer Reihe von reaktionären Priestern zu Bischöfen und diverse Affären mehr.

© SZ vom 25.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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