Rebellenführer Ntaganda in Kongo:Aufstand des Terminators

Bosco Ntaganda hat den Ruf, "Menschen mit Leichtigkeit zu töten". Seit Wochen terrorisiert der abtrünnige General die Menschen im Grenzgebiet von Kongo, Ruanda und Uganda. Fassen konnte ihn noch niemand.

Arne Perras

Der Gefechtslärm in den kongolesischen Hügeln war in dieser Woche wieder bis nach Uganda zu hören, Einheiten der nationalen Armee lieferten sich Kämpfe mit rebellierenden Milizen nahe dem Grenzort Bunagana. Die Kivu-Provinzen haben seit dem offiziellen Ende des zweiten Kongokrieges 2002 nie ihren Frieden gefunden, seit einigen Wochen flammt die Gewalt wieder heftiger auf. Das hat mit einem Mann zu tun, den die Menschen in Kongo seit vielen Jahren kennen und der nun erneut den Aufstand probt. Sie nennen ihn den "Terminator".

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Ein Soldat der Rebellen hält Wache im Kavumu-Tal im Osten Kongos.

(Foto: AFP)

Gegen Bosco Ntaganda hatte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag schon 2006 einen Haftbefehl erlassen, weil er Kinder rekrutiert und als Soldaten eingesetzt haben soll. Seither ist die Liste der Vorwürfe noch länger geworden. Ihm werden nun auch noch Vergewaltigung, Mord und Attacken auf Zivilisten zur Last gelegt.

Auch wenn sich die Armee kürzlich damit brüstete, dass sie die Rebellion "innerhalb von Stunden oder Tagen" niederschlagen werde, ist mit einem raschen Ende der Wirren nicht zu rechnen. Noch hat niemand Ntaganda gefangen; und selbst wenn dies bald geschehen würde, blieben grundlegende Probleme der Region ungelöst. Es geht um Land, um illegale Geschäfte der Milizen und auch um die Angst ethnischer Gruppen, von Feinden ausgelöscht zu werden. Die Reform des Sicherheitssektors in Kongo, ein wichtiger Schlüssel zur Befriedung, ist kaum voran gekommen. Die neue Rebellion ist symptomatisch für dieses Staatsversagen und die damit einhergehende Straflosigkeit der Milizen.

Ntaganda steht im Ruf, "Menschen mit Leichtigkeit zu töten", wie ein früherer Rekrut seiner Truppe sagte. Der abtrünnige General soll sich nun mit mehreren Hundert Kämpfern in den Wäldern im Dreiländereck zwischen Ruanda, Kongo und Uganda versteckt halten. Nach Erkenntnissen von UN-Experten und der Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch bekommt der Kriegsherr Unterstützung aus dem Nachbarland Ruanda. Die Regierung dort hat den Vorwurf zurückgewiesen, den Aufstand zu befördern. Sicher ist, dass Ntaganda immer wieder Gelegenheit hatte, die Grenze zu passieren. Dies bestätigten Angehörige des ruandischen Sicherheitsapparates einer UN-Expertengruppe 2011 und versicherten, dass "Bosco zu Frieden und Sicherheit in der Region beiträgt", was im ruandischen Interesse liege.

Als junger Mann unter Kagame

Ntaganda kennt die Gegend um die Virunga-Vulkane bestens, 1973 wurde er auf der ruandischen Seite des Gebirgszuges geboren und floh später in den Ostkongo, als es in seiner Heimat zu Übergriffen auf Angehörige der Tutsi kam. Als junger Mann schloss er sich den ruandischen Rebellen von Paul Kagame an, die 1994 von Uganda aus in ihre Heimat einmarschierten und den Genozid an Tutsi und moderaten Hutu stoppten. Als Kagame in Kigali Präsident wurde, trat Ntaganda in dessen Armee ein.

Nach dem ruandischen Völkermord weitete sich die Gewalt auf den maroden Nachbarstaat Kongo aus, wo Ntaganda nun an verschiedenen Fronten kämpfte, unter anderem in Ituri. Später agierte er als militärischer Befehlshaber der Rebellen-Gruppe CNDP unter Laurent Nkunda und war schließlich maßgeblich an dessen Sturz beteiligt. Als Kongo und Ruanda in einem geheimen Deal aushandelten, dass Nkunda die Bühne verlassen sollte, rückte Ntaganda an dessen Stelle.

Doch niemand hatte den Mut, die Kraft oder den politischen Willen, ihn zu verhaften. Ntaganda galt nun als einer, der helfen sollte, den Ostkongo zu befrieden. Er wurde 2009 in die Streitkräfte integriert und erhielt dort den Rang eines Generals - trotz zahlreicher Dokumente über Kriegsverbrechen, die Ntaganda belasteten. Der General dinierte fortan in den guten Restaurants in Goma und vergnügte sich beim Tennisspiel. In der Armee führte er weitere Militäroperationen, für die sich die Ankläger in Den Haag interessieren dürften. Außerdem nutzte Ntaganda seine Position, um sich zu bereichern. Über Mittelsmänner erhob er eigene Steuern in den Minen, außerdem profitierte er nach UN-Untersuchungen vom Schmuggel und von Abgaben an Checkpoints. So konnte er ein Vermögen anhäufen.

Im April schließlich meuterten Hunderte Soldaten und Offiziere, die Ntaganda nahestehen. Als Grund für ihren Aufstand gaben sie an, dass sie keinen Sold bekommen hätten und unter unerträglichen Bedingungen leben müssten. Die Vorwürfe kamen nicht überraschend. Gleichzeitig war der internationale Druck auf den kongolesischen Staat gewachsen, Ntaganda zu verhaften. So wuchs der Drang zur neuerlichen Rebellion, wobei die Einschätzungen auseinandergehen, in welchem Maße Ruanda diesen Aufstand steuert.

Die Rebellion Ntagandas ermuntert nun auch andere bewaffnete Gruppen, das Chaos zu nutzen und sich eigene Vorteile zu erkämpfen. 100.000 Menschen sind wieder auf der Flucht in Kongo, weil sie niemand vor der Gewalt der Milizen schützt.

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