Milliardenpaket von CDU und SPD:Grüne reagieren zurückhaltend, FDP und Linke sind dagegen

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Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, will sich die Vorschläge der wohl künftigen Bundesregierung erst einmal „in Ruhe anschauen“. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

CDU und SPD brauchen die Grünen, wenn sie die Schuldenbremse schnell lockern wollen. Linke, FDP und AfD sehen das Finanzpaket kritisch. Wirtschaftsexperten fürchten eine hohe Neuverschuldung.

Von Nadja Lissok und Sebastian Strauß

Die angehenden Koalitionäre Union und SPD haben sich auf ein beispielloses Investitionsprogramm verständigt. Um mehr Geld in die Verteidigung Deutschlands stecken zu können, soll die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse schon in den kommenden Tagen gelockert werden. Außerdem ist ein 500 Milliarden Euro schwerer Sondertopf zur Modernisierung der Infrastruktur geplant. Die künftige Opposition reagiert verhalten bis ablehnend.

Die Grünen, deren Stimmen für die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag benötigt werden, reagierten zurückhaltend. „Wir werden uns die Vorschläge nun in Ruhe anschauen“, sagte Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Die Grünen fordern seit Jahren eine Reform der Schuldenbremse, um mehr Investitionen zu ermöglichen. Grünen-Chefin Franziska Brantner kritisierte den Auftritt der Parteichefs Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU). Beide hätten „monatelang verhindert und verunglimpft, was sie jetzt selbst vorschlagen. Das kostet Vertrauen in unsere Demokratie.“

Die Linke hat angekündigt, die geplante Verabschiedung des Vorhabens rechtlich zu prüfen. Es müsse sich zeigen, „ob eine solche Abstimmung über mehrere hundert Milliarden im gerade abgewählten alten Bundestag überhaupt verfassungskonform ist“, erklärte die Parteispitze. Von dieser Prüfung werde die Partei ihr Abstimmungsverhalten abhängig machen. Auch an dem Vorgehen selbst äußerten die Parteichefs scharfe Kritik. Es gehe CDU und SPD „nur darum, die neu gewählten Verhältnisse im Bundestag zu umgehen“, hieß es. Man befürworte grundsätzlich „die Aufhebung der Schuldenbremse für die Länder“ und auch Investitionen in die Infrastruktur. Doch Union und SPD würden „einen Blankoscheck für Aufrüstung durchdrücken“ und „eine Grundgesetzänderung in nie dagewesener finanzieller Dimension durch den Bundestag peitschen“.

Die FDP reagiert empört auf den Deal. „Schulden für alles Mögliche zulasten der Menschen in Deutschland sind aus meiner Sicht verantwortungslos“, sagte Fraktionschef Christian Dürr. Dass die Bundeswehr gestärkt werden müsse, stehe außer Frage, „aber diese Vorschläge stellen nicht die Verteidigungsfähigkeit ins Zentrum, sondern eine Koalition, die ihre Gemeinsamkeiten auf unendlichen Schulden aufbaut“. Auch FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki lehnt das von Union und SPD vereinbarte Finanzpaket ab. Man werde nicht zustimmen. „Es gibt gar keinen Handlungsbedarf. Das kann man auch im neuen Bundestag machen“, sagte Kubicki Welt-TV.

Die AfD kritisiert das von Union und SPD geplante Finanzpaket. „Wir sehen es als sehr kritisch an, dass diese Maßnahmen noch vom alten Bundestag beschlossen werden sollen“, erklären die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla. „Dadurch wird der Wählerwille, der bei der Bundestagswahl vor gut einer Woche zum Ausdruck gekommen ist und der neue Mehrheitsverhältnisse hervorgebracht hat, eindeutig missachtet.“ Die AfD-Fraktion werde die angekündigten Anträge „eingehend prüfen, sobald diese im Detail vorliegen“.

Reaktionen aus der Wirtschaft

Wirtschaftsexperten sehen das Vorhaben mit gemischten Gefühlen. Ökonom und Politikberater Jens Südekum lobt die Einigung der Sondierer als "Gamechanger". "Was jetzt wichtig ist: Das viele Geld muss auch tatsächlich auf die Straße kommen und in die richtigen Projekte fließen", sagte Südekum. Im Infrastrukturbereich müsse das Sondervermögen von einer Beschleunigung der Genehmigungsverfahren begleitet werden.

Der ehemalige Wirtschaftsweise Lars Feld warnte auf dem Kurznachrichtendienst X: „Heute ist der Tag, ab dem die Schuldenbremse Geschichte ist. Deutschland verliert seine Funktion als sicherer Hafen für Anleihegläubiger. Zinsen und Inflation werden davon nicht unberührt bleiben.“ Die Beschlüsse laufen Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zufolge darauf hinaus, dass der Schuldenstand von aktuell 63,6 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den kommenden Jahren kräftig steigen wird – „allein wegen des neuen Sondervermögens um etwa zehn Prozentpunkte“. Dies könne langfristig zu einer gesamtstaatlichen Schuldenquote von 90 Prozent führen.

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