Süddeutsche Zeitung

Reaktionen:"Lizenz zum Töten für Assads Regime"

Einige sprechen von einer "Schande", andere sind einfach nur "angewidert": Das Veto Russlands und Chinas gegen die geplante Syrien-Resolution des UN-Sicherheitsrates empört Politiker und Menschenrechtler weltweit. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird der Ruf nach Konsequenzen immer lauter.

Das abermalige Veto von Russland und China im Weltsicherheitsrat zu einer Syrien-Resolution hat weltweit Empörung hervorgerufen. Der Nationalrat der syrischen Opposition (SNC) kritisierte das Nein als "Lizenz zum Töten" für das Regime von Baschar al-Assad. Moskau und Peking seien damit für die Eskalation der Gewalt verantwortlich, erklärte das Gremium an diesem Sonntag in Istanbul. Vor der Abstimmung waren bei einem Einsatz der syrischen Armee in der Rebellenhochburg Homs offenbar Hunderte Menschen getötet worden.

Die umstrittene Entscheidung im Sicherheitsrat dominierte am Sonntagvormittag auch weiterhin die Debatten auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Deren Chef, Wolfgang Ischinger, zeigte sich tief enttäuscht vom Veto. "Lassen Sie mich sagen, dass es mich in diesem Jahr betrübt, dass zumindest bisher die Münchner Sicherheitskonferenz nicht als Katalysator zur Lösung von Konflikten gedient hat", sagte er zum Auftakt des letzten Konferenztages.

Die jemenitische Journalistin und Friedensnobelpreisträgerin Tawakkul Karman fand bei ihrer Rede in München deutlichere Worte - sie verurteilte das Veto Russlands und Chinas. "Diese beiden Länder unterstützen das kriminelle Regime von Baschar al-Assad." Karman rief die Weltgemeinschaft auf, Syrien politisch zu isolieren. "Ich bitte Sie, die syrischen Botschafter aus ihrem Land zu weisen und Ihre Botschafter zurückzuziehen."

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch regte in München eine Reform des Vetoverfahrens im UN-Sicherheitsrat an. Die internationale Staatengemeinschaft habe es nicht geschafft, sich der Gewalt in Syrien in den Weg zu stellen, kritisierte der Internationale Direktor von Human Rights Watch, Kenneth Roth, auf der Sicherheitskonferenz. "Das ist eine Schande!" Russland und China hätten den UN-Sicherheitsrat irrelevant gemacht. Es sollte für Vetomächte eine Selbstverpflichtung geben, bei Menschenrechtsverletzungen kein Veto einzulegen.

Auch der tunesische Premier Hamadi Jebali fordert Konsequenzen für den UN-Sicherheitsrat. Das Vetorecht sei "missbraucht" worden, sagte er in München. Nun müsse die internationale Staatengemeinschaft den bisherigen Entscheidungsmechanismus überdenken. Jebali mahnte, das syrische Volk erwarte nun keine Klagen, sondern Taten. Das Mindeste, was Staaten tun könnten, sei der Abbruch aller Beziehungen zum syrischen Regime. Er rief alle arabischen Staaten dazu auf, die syrischen Botschafter auszuweisen.

"Menschen in Syrien schon wieder im Stich gelassen"

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte Moskau und China zuvor ebenfalls scharf kritisiert: Mit der Entscheidung werde die Rolle der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft untergraben. Während sich die Krise in Syrien mit Gewalt und Leid für das syrische Volk verschärfe, habe der Sicherheitsrat eine Chance vertan, einmütig für ein Ende der Krise und eine friedliche Zukunft einzutreten. Für das syrische Volk, den Nahen Osten und alle Unterstützer von Menschenrechten und Demokratie sei dies eine große Enttäuschung, beklagte der UN-Generalsekretär.

"Wir haben die Menschen in Syrien schon wieder im Stich gelassen", sagte der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig. "Das ist eine schreiende Schande." Das Veto sei nach den Hunderten Toten in Homs in der Nacht zuvor und am Jahrestag des Massakers von Hama 1982 mit Zehntausenden Toten eingelegt worden. "Das ist der eigentliche Skandal." Sein französischer Amtskollege Gerard Araud sagte: "Das ist ein trauriger Tag für diesen Rat. Das ist ein trauriger Tag für Syrien und es ist ein trauriger Tag für die Anhänger der Demokratie."

Enttäuschung zeigte der marokkanische Botschafter Mohammed Loulichki. Der Diplomat sagte, sein Land sei "frustriert und traurig" über das Abstimmungsergebnis.

Londons Botschafter Mark Lyall Grant warf Russland und China falsches Spiel vor: "Sie sagen, Sie wollten ein militärisches Eingreifen verhindern. Das hat aber nie jemand gefordert und stand auch nie in irgendeinem Entwurf." Sehr deutliche Worte kamen von US-Botschafterin Susan Rice: "Wir sind angewidert, dass einige Mitglieder uns davon abhalten, unsere Pflicht zu tun."

Russland und China erwähnte sie mit nicht einem Wort, sagte aber: "Dieser Rat wird seit Monaten in Geiselhaft gehalten von zwei Ländern, die nur an ihre eigenen Interessen denken." Der Text sei ganz einfach gewesen, Sanktionen seien nicht einmal erwähnt worden. "Und besonders schändlich ist es, dann auch noch Waffen zu liefern."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte der Bild am Sonntag, das Veto sei ein "großer Fehler" gewesen. Trotz des Vetos halte er die Zeit der Regierung von Syriens Staatschef Baschar al-Assad für abgelaufen. "Eins ist klar: Das Assad-Regime hat keine Zukunft mehr".

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verurteilte das Veto scharf: "Die syrische Tragödie muss aufhören", sagte Sarkozy am Samstag laut einer Erklärung des Präsidentenbüros. Das Veto ermutige die syrische Führung, die Protestbewegung weiterhin niederschlagen zu lassen. Der französische Außenminister Alain Juppé erklärte am Abend, China und Russland trügen eine "schreckliche Verantwortung".

"Souveränität Syriens muss unangetastet bleiben"

"Wir bedauern diesen Ausgang", sagte Russlands Botschafter Tschurkin. "Aber dieser Entwurf war unausgewogen." Er habe sich zu sehr gegen die Regierung in Damaskus gerichtet. Russland habe einen Kompromiss finden wollen. "Aber diese Versuche wurden von Ländern unterlaufen, die zu viel wollten, sogar einen Regimewechsel."

Chinas Botschafter Li Baodong forderte ein sofortiges Ende der Gewalt, sagte aber auch: "Die Ordnung in Syrien muss so schnell wie möglich wiederhergestellt werden." China verstehe die Sorge der internationalen Gemeinschaft. "Aber die Souveränität Syriens muss unangetastet bleiben."

Die Europäische Union hat die Blockade durch Russland und China "tief bedauert". Dadurch sei es dem Rat unmöglich gemacht worden, "den Ruf der Arabischen Liga nach einem umfassenden, syrisch-geführten politischen Prozess, durchgeführt in einer Umgebung frei von Gewalt, zu unterstützen", heißt es in einer Erklärung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Die EU werde auch weiter alle Bemühungen der arabischen Staaten unterstützen. Zugleich forderte Ashton alle Mitgliedsländer des Sicherheitsrates auf, Verantwortung zu übernehmen: "Die Zeit ist gekommen, mit einer Stimme zu sprechen, ein Ende des Blutvergießens zu fordern und sich für eine demokratische Zukunft Syriens auszusprechen."

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