Reaktionen aus Europa:Erleichterung in Brüssel

"Frankreich muss europäisch bleiben": Viele Europa-Politiker sprechen sich für Emmanuel Macron als neuen französischen Präsidenten aus und rufen zu einem breiten Bündnis gegen die "Gaunerin" und "Blenderin" Marine Le Pen auf.

Von Daniel Brössler

Sie haben eine Menge mitgemacht. Jahre, in denen der Euro am griechischen Faden hing. Den Zoff in der Flüchtlingskrise. Den Brexit. Trump. Die Politiker und Beamten, die in Brüssel versuchen, den europäischen Laden zusammenhalten, hatten genügend Gelegenheit, gute Nerven zu entwickeln. Und das taten sie auch in den vergangenen Monaten. Kaum verhohlene Depression wich einer außerhalb der EU-Metropole schwer zu erklärenden Das-wird-schon-Stimmung. Zu oft war der Union der große Krach prophezeit worden. Die Erfahrung der Krisen seit Ende der Nuller-Jahre lehrte, dass es eben doch immer irgendwie weiter geht. Immer? In den Tagen und Stunden vor der Präsidentenwahl in Frankreich war sie zurück: die ziemlich große Nervosität. Diesmal schien sie wirklich auf dem Spiel zu stehen, die Zukunft der Europäischen Union.

Es gebe, sagte drei Tage vor der Wahl einer, der seit Jahrzehnten in verschiedenen Funktionen mitmischt, diesmal keine Möglichkeit, sich vorzubereiten. Wie sollte man in Brüssel vorbauen für den Fall, dass in der Rechtsextremen Marine Le Pen und dem Linksaußen Jean-Luc Mélenchon zwei ausgesprochene EU-Gegner in die zweite Runde der Präsidentenwahl einziehen? Zum einen, weil das Bekanntwerden jeglicher derartiger Planung einen Skandal hätte auslösen können. Zum anderen, weil es für die EU und ihre Zentrale auf dieses "Erdbeben" ohnehin keine adäquate Vorbereitung hätte geben können. Ohne Großbritannien kann die EU weiter existieren, ohne Frankreich nicht. "Zusammen werden wir weiterhin die Werte eines demokratischen, freien und offenen Europa verteidigen", schrieb EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach dem Terroranschlag auf den Champs-Élysées an Frankreichs Noch-Präsidenten François Hollande. Das klang, als mache da einer weniger den Franzosen als sich selber Mut.

Umso spürbarer war das Aufatmen in Brüssel, als dann nach Schließung der Wahllokale am Sonntag die ersten Zahlen bekannt wurden. Ein "schönes Zeichen" nannte es der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, dass Emmanuel Macron laut dieser Zahlen auf dem ersten Platz vor Le Pen lag. Er spüre "große Erleichterung", sagte Brok, der seit 1980 Mitglied des EU-Parlaments ist. Die Umfragen, die ein Rennen zwischen Le Pen und Mélenchon als möglich hatten erscheinen lassen, hätten ihn schockiert. Nach einem Sieg Macrons im zweiten Wahlgang sei nun aber ein "gemeinsames deutsch-französisches Vorgehen für mehr Gleichgewicht" möglich, um Reformen voran zu bringen.

Viele Europa-Politiker sprachen sich für den parteilosen Macron aus. So bekundete Michel Barnier, Brexit-Unterhändler der EU, sogleich seine Unterstützung für Macron. "Frankreich muss europäisch bleiben", twitterte er. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sprach sich für ein Bündnis aller Demokraten gegen Marine Le Pen aus. "Sie ist eine Blenderin", erklärte der Fraktionschef der EVP im Europaparlament. "Die stolze Nation Frankreich darf nicht von einer Gaunerin regiert werden."

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