Süddeutsche Zeitung

Reaktionen auf Tröglitz-Anschlag:"Wir weichen keinen Schritt zurück"

Lesezeit: 2 min

Haseloff spricht von "bundesweitem Problem"

Als Reaktion auf den offenbar fremdenfeindlichen Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Tröglitz rufen Politiker und Behördenvertreter zu einem entschlossenen Kampf gegen Rechtsradikalismus auf. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), warnte in der Welt davor, die Tat in Tröglitz als Einzelfall abzutun: Es handle sich vielmehr um ein "bundesweites Problem".

Haseloff sagte der Welt, auch in anderen Bundesländern habe es zuletzt Proteste und ähnliche Anschläge auf geplante Flüchtlingsunterkünfte wie in Tröglitz gegeben. "Die Zahl der Übergriffe steigt im gesamten Bundesgebiet deutlich an. Tröglitz ist überall", fügte der Ministerpräsident hinzu. "Wir müssen uns in der Bundespolitik mit dieser unsäglichen Entwicklung auseinandersetzen", forderte der CDU-Politiker.

Sachsen-Anhalt will sich um Wohnungen für Flüchtlinge bemühen

Haseloff versicherte, die Aufnahme von Flüchtlingen in Tröglitz sei weiterhin geplant: "Wir arbeiten an einem Konzept, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt wir mit der Unterbringung beginnen. Wir weichen keinen Schritt zurück."

Das Land Sachsen-Anhalt will so schnell wie möglich andere Wohnungen in dem Ort für Flüchtlinge organisieren. Es könnte sein, dass in Kürze Flüchtlinge in privaten Wohnungen unterkommen, sagte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht auf dpa-Anfrage.

In der Mitteldeutschen Zeitung forderte Haseloff ein grundlegendes Umdenken in der Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen: "Wir müssen das Thema ganz anders anfassen - von unserer generellen humanen und gesellschaftlichen Verpflichtung her." Deutschland habe "die Menschlichkeit zu praktizieren, die uns selber in unserer Geschichte mehrfach widerfahren ist".

SPD-Vize Schäfer-Gümbel: "geschlossen Flagge zeigen"

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel sagte den Zeitungen der Funke-Gruppe: "Alle Demokraten müssen geschlossen Flagge zeigen, damit die braune Saat nicht weiter aufgeht." Es sei nicht hinnehmbar, dass die NPD und andere mit menschenverachtender Hetze den Boden bereiteten für gewaltsame Übergriffe gegen Flüchtlinge und "feige Anschläge auf Wohnheime". Das erneute NPD-Verbotsverfahren, das die Bundesländer eingeleitet haben, sei zwar "richtig und wichtig", es löse das Problem jedoch nicht allein. "Wir müssen uns auch mehr anstrengen, Aufklärung und Information zu betreiben", forderte der SPD-Politiker.

CDU-Politiker Bosbach: Anschlag auf freiheitlich-demokratische Grundordnung

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte der Passauer Neuen Presse, der Anschlag in Tröglitz sei ein Alarmsignal, weil er "auch unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung" gegolten habe. "Was heute in Tröglitz geschieht, kann morgen anderswo passieren. Den Standort für die Unterbringung von Flüchtlingen aufzugeben, wäre ein fatales Signal", warnte Bosbach.

Christine Lüders: Hasskriminalität in Polizeistatistik aufnehmen

Auch die Chefin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sieht in fremdenfeindlichen Taten ein bundesweites Problem. "Tröglitz ist überall, manchmal nur nicht so deutlich", sagte die Leiterin der Behörde, Christine Lüders, der Frankfurter Rundschau. Daher müsse "Hasskriminalität als eigene Kategorie in die Polizeistatistik aufgenommen" werden. Bei der Polizei sollten speziell dafür Kontaktpersonen eingesetzt werden und das Thema verstärkt in die Aus- und Fortbildung von Polizei und Justiz einfließen.

Was in Tröglitz bislang geschah

In der Nacht zu Samstag war in dem Flüchtlingsheim in Tröglitz ein Feuer gelegt worden. Es ist nun unbewohnbar. Von Mai an sollten dort 40 Asylbewerber untergebracht werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Brandstiftung, der Staatsschutz ist eingeschaltet. Ob Fremdenhass das Motiv war, ist unklar. Die Ermittler halten aber einen politischen Hintergrund für naheliegend.

Seit Wochen hatten Rechtsextreme Stimmung gegen das Asylbewerberheim gemacht. Wegen Anfeindungen war im März Bürgermeister Markus Nierth (parteilos) zurückgetreten. Nun steht Götz Ulrich, der Landrat des Burgenlandkreises, wegen Drohungen unter Polizeischutz. Auch Nierth hatte seiner Frau zufolge neue Drohungen erhalten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2424157
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
AFP/dpa/hai
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.