Süddeutsche Zeitung

Seehofers Flüchtlingspolitik:"Heiße Luft", "völlig abwegig", "Affront gegen die Bundeskanzlerin"

Der bayerische Ministerpräsident will Merkels Flüchtlingspolitik notfalls vom Bundesverfassungsgericht stoppen lassen. So reagieren seine Koalitionspartner auf die Drohung.

Minister Altmaier und de Maizière reagieren auf Seehofer

Minister der Bundesregierung weisen die Drohungen des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), wegen Kanzlerin Merkels Flüchtlingspolitik beim Bundesverfassungsgericht zu klagen, zurück. Kanzleramtschef und Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier sagte in den ARD-Tagesthemen, er glaube nicht, dass es zu einer Klage Bayerns komme. Die Bundesregierung sei zudem "überzeugt, dass wir auf dem Boden des Grundgesetzes handeln".

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat Forderungen der CSU abgelehnt, die Ankunft von Flüchtlingen hierzulande durch Zurückweisungen an der deutsch-österreichischen Grenze einzudämmen. "Das Problem lässt sich sicher nicht nachhaltig und wirksam an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich lösen, sondern an den Außengrenzen Europas", sagte de Maizière. Diese Außengrenzen müssten effektiv geschützt werden. Der Bundesinnenminister brachte dafür die Aufstellung einer europäischen Küstenwache ins Gespräch. Gelassen reagierte de Maizière auf Seehofers Klage-Androhung: "Jeder kann das Bundesverfassungsgericht anrufen."

SPD kritisiert "eigenmächtige bayerische Außenpolitik" der CSU

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat die angedrohte Verfassungsklage gegen den Bund wegen der Flüchtlingskrise als "heiße Luft" bezeichnet. Er wisse nicht, was der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) mit einer Verfassungsklage überhaupt meine, sagte Maas am Freitag am Rande eines Parteitags der saarländischen SPD in Neunkirchen. Es gebe viele praktische Probleme in der aktuellen Situation, die auf Grundlage dessen gelöst werden sollten, was Bund und Länder beschlossen hätten. "Wir haben keine Zeit, uns mit solchen Verbalattacken auseinanderzusetzen", sagte Maas.

Die SPD kritisierte das Gebaren Seehofers und der an der Bundesregierung beteiligten CSU scharf. Fraktionschef Thomas Oppermann nannte es in der Berliner Zeitung vom Samstag "völlig abwegig", dass Seehofer nun eine "eigenmächtige bayerische Außenpolitik" betreiben wolle. Er forderte ein Ende der Auseinandersetzungen in der Union. Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht sprach von einem "Affront gegen die Bundeskanzlerin".

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, Seehofer schade mit seinem isolierten Vorgehen einer solidarischen und gemeinsamen Lösung.

Österreich und Pro Asyl warnen vor Panikmache

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner warnte, es seien "Ausschreitungen" zu befürchten, wenn Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben wollten, nach Österreich zurückgeschickt werden.

Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl wirft Seehofer vor, Torschlusspanik bei den Flüchtlingen zu erzeugen. Wer mit der Zurückweisung von Flüchtlingen direkt an der Grenze drohe, erzeuge den Reflex: "Rette sich, wer kann, bevor es zu spät ist", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. "Seehofer weckt Bedrohungsängste in der Bevölkerung", sagte er. "Das ist für die Demokratie bedenklich, wenn eine führende Persönlichkeit dauernd neue Vorschläge macht, die mit dem Recht nicht in Einklang stehen."

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