Regierung erwägt Senkung des "Soli":"Ausbund an Unseriösität"

Mit ihren Überlegungen, den Solidaritätszuschlag zu senken, hat die Union scharfe Reaktionen ausgelöst. Beim Treffen der Koalitionsspitzen am Sonntag möchte Kanzlerin Merkel offenbar Einigkeit für diesen Vorstoß erreichen. Während die FDP Zustimmung signalisiert, spricht die Opposition von einer "Mogelpackung". Die Pläne seien "gespenstisch".

Der Vorstoß polarisiert: Union und FDP wollen eine Lösung im Steuerstreit gefunden haben. Bei einer Spitzenrunde der Koalition am Sonntag wird sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) voraussichtlich für eine Senkung des Solidaritätszuschlags anstelle von Änderungen der Einkommenssteuer aussprechen. Auch FDP-Chef Philipp Rösler signalisierte inzwischen Zustimmung zu einem solchen Vorgehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) Euro-Rettung Griechenland

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP): Vor dem Treffen der Koalitionsspitzen am Wochenende zeichnet sich eine Einigung im Steuerstreit ab.

(Foto: dpa)

Die Opposition hingegen will die "Soli"-Senkung nicht mitmachen: Die SPD äußerte sich mit Verweis auf die angespannte Haushaltslage skeptisch zu jeglichen Steuersenkungen. "Anstelle von Absenkungen des Einkommensteuertarifes jetzt auf Veränderungen beim Solidaritätszuschlag zu setzen, macht das Ganze nicht zu einer Billiglösung für den Staat", erklärte SPD-Vizefraktionschef Joachim Poß. Die Steuersenkung koste viel Geld, das an anderer Stelle dringend gebraucht würde.

Kritik kam auch von den Grünen: "Ich finde Steuersenkungen in der jetzigen Lage gespenstisch", sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu Spiegel Online. Das Vorhaben sei ein "Ausbund an Unseriosität und untergräbt massiv das Vertrauen in Politik". Eine Mehrheit im Bundesrat für Steuersenkungen schloss Kretschmann aus.

Die Linkspartei bezeichnete die Steuerpläne als "Mogelpackung". Kleinverdiener würden durch eine Absenkung des Solidaritätszuschlags kaum entlastet, kritisierte die Linken-Finanzpolitikerin Barbara Höll.

Der Bund der Steuerzahler riet der Koalition sogar dringend davon ab, den Solidaritätszuschlag zu senken. Der stellvertretende Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, sprach sich in den Zeitungen der WAZ-Gruppe vielmehr für das Vorhaben von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Rösler (FDP) aus, die "kalte Progression" über die Einkommensteuer zu mindern. Bei der "kalten Progression" kann trotz eines Einkommensanstiegs die Kaufkraft eines Steuerzahlers sinken, weil das Plus beim Brutto durch die Steuer wieder aufgezehrt wird. Dies soll durch eine Korrektur der Steuertarife samt höherem Grundfreibetrag erreicht werden.

Dieser Vorstoß sei "grundlegend richtig", urteilte Holznagel. Denn damit würden künftige automatische Steuererhöhungen verhindert. SPD-Länder hatten hingegen eine Blockade dieses Plans im Bundesrat angekündigt. Die Bundesländer befürchteten Einnahmeausfälle.

Darüber hinaus hatte CSU-Chef Horst Seehofer mit seinen Äußerungen für Koalitionskrach gesorgt, dass er sich von Schäuble und Rösler übergangen fühle und keine Steuerpläne mitmache, die im Bundesrat keine Chance hätten. Er konterte stattdessen mit einem eigenen Entlastungsmodell, das ebenfalls eine Senkung des Solidaritätszuschlags beinhaltet.

Der FDP-Vorsitzende Rösler rechnet denn auch mit einer Einigung der Koalitionsspitze auf Steuererleichterungen am kommenden Sonntag. Der Wirtschaftsminister sagte dem Hamburger Abendblatt: "In der Koalition sind wir uns im Grundsatz einig, mittlere und untere Einkommen zu entlasten. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir uns am kommenden Sonntag in der Steuerpolitik abschließend verständigen."

Ähnlich hatte sich zuvor auch FDP-Generalsekretär Lindner geäußert. "Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir am Wochenende zu einer Lösung kommen", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Zu den diskutierten Varianten meinte Lindner, es komme auf das Ziel an, untere und mittlere Einkommen zu entlasten. Der Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder (CDU), mahnte eine Entscheidung zum Steuerthema an. Es "muss am kommenden Sonntag vom Tisch", sagte er der Bild. "Wir haben andere wichtige Themen, und ich erwarte, dass wir zu einer Entscheidung kommen. Das ewige Verschleppen schafft kein Vertrauen."

Der Vorteil einer "Soli"-Absenkung: Die Koalition wäre nicht auf die Zustimmung des Bundesrats angewiesen, wo Schwarz-Gelb keine Mehrheit hat. Wie Bild unter Berufung auf das Bundeskanzleramt berichtete, wäre eine Option eine höhere Steuerfreigrenze, ab der die Abgabe gezahlt werden müsse. Möglich sei aber auch die Senkung des Satzes von derzeit 5,5 Prozent.

Eine Bestätigung gab es am Montag nicht: Vizeregierungssprecher Georg Streiter sagte dazu, von einer Vorfestlegung der Kanzlerin vor dem Koalitionstreffen sei ihm nichts bekannt. Er kündigte lediglich an, beim Koalitionsausschuss am 6. November würden Alternativmodelle zum Konzept von Rösler und Finanzminister Schäuble beraten. Konkret gehe es um mindestens zwei Modelle.

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