Reaktionen auf Platzecks Rücktritt:"Über Parteigrenzen hinweg den Menschen stets zugewandt"

Ein Pflichtmensch geht: Brandenburgs scheidender Ministerpräsident Matthias Platzeck erhält nach seiner Rücktrittserklärung viel Lob und Anerkennung - auch vom politischen Gegner.

Von Oliver Klasen

Schon die ersten Sätzes seines im Fernsehen live übertragenen Statements sind typisch für den Ministerpräsidenten Platzeck, der ein Pflichtmensch ist, einer, dessen Arbeitsethik geprägt ist von dem, was man oft preußische Tugenden nennt. "Ich bin dankbar für diese zweieinhalb Jahrzehnte. Ich bin dankbar, dass ich mittun durfte."

Solche Worte zeugen von der Demut eines Politikers, der sich und seine Person nie in den Vordergrund gedrängt sehen wollte. Der, wie er sagt, Politik "immer mit Leidenschaft gemacht hat". "Vielleicht war es zuviel Leidenschaft", sagt Platzeck und nennt damit indirekt schon den wichtigsten Grund für seinen Rücktritt. Dass seine Kräfte am Ende nicht mehr ausgereicht haben für das beschwerliche Amt eines Ministerpräsidenten, dessen Job in "40 bis 50 Stunden beim besten Willen nicht zu schaffen ist". Dass das Motiv nicht mangelnde politische Unterstützung oder gar Amtsmüdigkeit ist, sondern das sich als Berufspolitiker schwer einzugestehende Gefühl, einfach nicht mehr zu können.

"Ich habe vor 24 Jahren begonnen, Politik zu machen und ich verhehle nicht, dass das für mich ein besonderer Abend ist", sagt Platzeck. Er hält bei seiner kurzen Rede den Kopf oft leicht gesenkt, aber er wirkt nicht niedergeschlagen, sondern lächelt ab und an sogar. Hier, das signalisiert seine Körperhaltung, sitzt einer, der seine Entscheidung sorgfältig überlegt hat, aber einer, von dem jetzt auch eine Last abfällt.

Platzeck macht jetzt einen kleinen Rückblick auf diese 24 Jahre - aber leitet das Ganze mit einem Spaß ein. "Keine Angst, Opa erzählt jetzt nicht vom Krieg", sagt er. Während der Wende 1989 hat Platzeck angefangen, Politik zu machen, erst als Vertreter von Umweltgruppen am Runden Tisch, dann nach den ersten freien Volkskammerwahlen im März 1990 als Minister für die Grüne Partei in der DDR. Als er 1995 in die SPD eintrat, machte er schnell Karriere. Landesvorstand in Brandenburg, Bundesvorstand, Landeschef, schließlich ab 2002 Ministerpräsident. Elfeinhalb Jahre hat er den Job jetzt gemacht und ist damit der dienstälteste Landesvater in Ostdeutschland.

Amtsverständnis, geprägt von Großvätern

Platzeck zählt kurz die Erfolge auf, die er in dieser Zeit erreicht hat. Brandenburg als modernes Energieland positioniert, die Arbeitslosigkeit gesenkt, die Verschuldung zurückgefahren.

Dann beschreibt er sein Amtsverständnis, dass durch "seine Großväter geprägt sei" und dass ihm immer auferlegt habe, bei einem "so wichtigen Amt wie dem des Ministerpräsidenten alles hintanzustellen". Aber dieses Amtsverständnis habe ihm auch noch etwas Zweites auferlegt. Man müsse stets überprüfen, ob die eigenen Potentiale noch ausreichten, um dem Anspruch an das Amt zu genügen. Und in seinem Fall sei das nach dem Schlaganfall vom Juni eben nicht mehr gegeben, auch wenn er lange mit sich gerungen habe, bis er sich für den Rücktritt entschied.

Es ist bereits das zweite Mal, dass Platzeck in dieser Art mit sich ringen muss. Vor gut sieben Jahren, im April 2006, war es ähnlich. Damals musste er das Amt des SPD-Chefs aufgeben, nach nur 146 Tagen im Amt. Zwei Hörstürze innerhalb weniger Monate, zusätzlich ein Nerven- und Kreislaufzusammenbruch.

Platzeck, das war schon damals sichtbar, war ein anderer Politiker als die ewigen Macho-Alphatiere Kohl, Schröder, Fischer oder Schily. Er war einer, dem man schon im Amt ansah, welche negativen Seiten das Leben eines Berufspolitikers haben kann. Arbeiten bis zur Selbstaufgabe, Raubbau am eigenen Körper. "Ich hab es nie vermocht, dass mir so etwas wie eine dicke Haut wächst", sagt Platzeck jetzt auf der Pressekonferenz. "Mir geht Politik immer auch unter die Haut".

Seinen designierten Nachfolger Dietmar Woidke lobt Platzeck als einen, der in der Politik "immer den Überblick" behalten habe. "Und das hängt nicht nur mit seiner Körpergröße von 1,96 Metern zusammen, sondern auch mit seiner Wesensart."

Woidke gibt das Lob zurück: "Matthias Platzeck hat dieses Land zu dem gemacht, was es ist. Ich bin dankbar für diese Leistung und für die gute Zusammenarbeit, die ich sehr vermissen werde". Das Land sei in den wesentlichen Dingen "sehr gut uffjestellt", sagt der Nachfolger in sanftem Brandenburgisch.

Allerdings werde Woidke nur die Ämter als Ministerpräsident und als SPD-Landeschef übernehmen, nicht jedoch Platzecks Chefposten im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg. Platzeck kündigt an, die nächste Flughafen-Aufsichtsratssitzung am 16. August werde er noch leiten, und sich dann um einen Nachfolger bemühen.

Am Schluss seines kurzen Pressestatements folgt dann wieder ein typischer Platzeck-Satz: "Es sind jetzt andere Notwendigkeiten da. Und da sollten wir auch nicht zuviel Sums drum machen".

Auszüge aus Platzecks Erklärung

Hier einige Auszüge aus Platzecks kurzer Erklärung vor der Presse:

  • "Ich hab es nie vermocht, dass mir eine dicke Haut wächst, mir geht Politik immer auch unter die Haut".
  • "Zweieinhalb Jahrzehnte haben ihre Wirkung hinterlassen, wenn der Motor immer auf Hochtouren läuft. Ich möchte meiner Familie danken, dass sie zweieinhalb Jahrzehnte eine Sieben-Tage-Woche mitgetragen hat. Ich habe Dienst, Politik und Privates nie getrennt. Mein Amtsverständnis, durch Großväter geprägt, war immer, dass bei einem so herausgehobenen Amt alle anderen Dinge hintanzustellen sind."
  • "Mein Ziel war es immer, eine Politik mit dem Gesicht zu den Menschen zu machen"
  • "40-50 Stunden kannst Du gut und gerne arbeiten, aber 80 - vergiss es". (so zitiert Platzeck seinen Arzt)
  • "Ich habe mir ja vorgenommen, bis zum 70. Lebensjahr einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen und 40 bis 50 Stunden darf ich ja arbeiten. Ich nehme mein Direktmandat sehr ernst. Das ist auch mit den Freunden in der Uckermark so besprochen und ich freue mich, dass ich nun, nach Jahren in der Exekutive mal wieder ein legislatives Amt übernehmen darf."
  • "Demokratie hat immer was mit Machtverleihung auf Zeit zu tun und man soll nie anfangen, irgendwelche Unersetzlichkeitsgedanken zu hegen."
  • "Ich hab die ganzen letzten sechs Wochen mit mir gerungen. Ich verhehle auch nicht, dass das ein emotionaler Moment für mich ist. Es ist schon eine Lebensentscheidung und das ist nicht einfach aus lockerem Handgelenk zu treffen."
  • "Ich hatte schon zu DDR-Zeiten Lust, Politik zu machen, aber damals ging das wegen der Gegebenheiten nicht. Jetzt bin ich dankbar, für die Zeit, die wir gemeinsam hatten."
  • "Keine Angst, Opa erzählt jetzt nicht vom Krieg" (So beginnt er den kurzen Rückblick auf seine Zeit als Ministerpräsident)
  • "Ich bin wieder ganz gut beieinander. Mein Linksdrall ist ein Stück weniger geworden" (über seine gesundheitlichen Einschränkungen).

Reaktionen auf den Rücktritt

Mit Bedauern und Respekt haben Sozialdemokraten und Politiker anderer Parteien auf Platzecks Rücktritt reagiert. Hier eine Zusammenstellung einiger Äußerungen:

Manfred Stolpe, Platzecks Vorgänger als Ministerpräsident, sagte, es sei richtig, auf den Rat seiner Ärzte zu hören. Hätte er selbst das nicht getan, wäre er wohl schon seit sechs Jahren tot. Stolpe leidet an Darmkrebs. Zu Platzecks designiertem Nachfolger, Innenminister Dietmar Woidke (SPD), bemerkte Stolpe, dieser werde ein guter Ministerpräsident werden. Woidke sei mittlerweile ein erfahrener Politiker, zu dem er volles Vertrauen habe.

SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der mit Platzeck auch persönlich befreundet ist, hat dem scheidenden Ministerpräsidenten große Leistungen bescheinigt: "Die Spuren, die Matthias Platzeck in Brandenburg und darüber hinaus mit seinem politischen Schaffen hinterlässt, sind tief. Er hat sein Land sozial gerechter, wirtschaftlich erfolgreicher und lebenswerter gemacht. Er war ein großartiger Ministerpräsident".

Berliners Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit SPD): "Matthias Platzeck war ja auch eine wichtige Stimme in Ostdeutschland. Auch da wird etwas verlorengehen."

Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU): "Ich habe die Entscheidung von Matthias Platzeck mit Respekt zur Kenntnis genommen und habe großes Verständnis dafür. Matthias Platzeck ist für mich ein erfahrener Kollege und Freund. Mit ihm verlässt ein anerkannter Politiker, der über Parteigrenzen hinweg den Menschen stets zugewandt war, die politische Bühne."

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD): "Der Rücktritt von Matthias Platzeck bedeutet einen großen Verlust an Menschlichkeit in der deutschen Politik. Er ist ein ganz besonderer Mensch, einer, der nie im Bermuda-Dreieck der Berliner Macht untergegangen ist"

Die Sprecherin der SPD-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Andrea Wicklein: "Der Rücktritt von Matthias Platzeck ist ein schmerzvoller Verlust für das Land Brandenburg und für die gesamte SPD. Mit Matthias Platzeck gibt ein gradliniger und ehrlicher Politiker seine Ämter und Funktionen auf. Matthias Platzeck steht für eine Politik auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern und eine politische Kultur des Miteinanders."

Ramona Pop, Grünen-Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus: "Wir zollen Matthias Platzeck Respekt und wünschen ihm für seine Gesundheit alles Gute. Nun liegt es an seinem Nachfolger, beim Thema BER endlich für einen Neuanfang zu sorgen. Ein erster Schritt wäre es, den Aufsichtsrat in ein Experten-Gremium umzuwandeln, das nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche und technische Kompetenz inne hat."

Der Berliner CDU-Fraktionschef Florian Graf sagte dem Tagesspiegel: "Matthias Platzeck hat mit seiner überraschenden Entscheidung, als Brandenburger Ministerpräsident zurückzutreten, meinen vollsten Respekt."

Thüringens SPD-Landesvorsitzender Christoph Matschie: "Er hat das Land voran gebracht und war stets auch Landesvater im besten Sinn. Er wird den Brandenburgern fehlen."

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