Reaktionen auf Friedensnobelpreis:Gratulationen, Enttäuschung und ein Vorwurf

Der Friedensnobelpreis 2008 geht an Martti Ahtisaari: Während aus aller Welt Glückwünsche kommen, reagiert Russland mit Kritik, Kommentatoren äußern einen Verdacht - und in Paris war viel Lärm um nichts.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat dem neuen Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari gratuliert. Der frühere finnische Präsident sei ein sehr engagierter Europäer und blicke auf eine lange und erfolgreiche Karriere im Dienste der internationalen Gemeinschaft zurück, erklärte Barrosos Sprecherin in Brüssel. Barroso hob unter anderem die Leistung Ahtisaaris bei den Verhandlungen zur Beendigung der Kämpfe im Kosovo 1999 hervor.

Auch Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer begrüßte die Entscheidung des Komitees. "Präsident Ahtisaari hat eine lange, herausragende Karriere bei der Lösung von Krisen weltweit", sagte De Hoop Scheffer am Rande des Nato-Verteidigungsministertreffens in Budapest. "Ich glaube, niemand könnte diese Auszeichnung mehr verdienen als Martti Ahtisaari."

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat dem ehemaligen finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari zum Friedensnobelpreis gratuliert.

Moskau: "Parade von Unabhängigkeitserklärungen verursacht"

Andere Töne kommen dagegen aus Russland: Die Regierung in Moskau hat auf die Neuigkeit mit Kritik wegen Athisaaris Kosovo-Engagements reagiert. "Ich kann nicht begreifen, wofür man Ahtisaari den Nobelpreis oder andere Ehrungen zuerkennt", sagte der russische Nato-Botschafter Dmitri Rogosin nach Angaben der Agentur Interfax. Schließlich habe der Finne mit seinem Kosovo-Plan die Spaltung Serbiens verursacht.

In der Staatsduma wurde die Auszeichnung Ahtisaaris als Versuch des Westens gedeutet, die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos zu rechtfertigen. Der Finne habe mit seinem Kosovo-Plan "eine Parade von Unabhängigkeitserklärungen" ausgelöst, wozu auch die jüngsten Ereignisse im Südkaukasus zählten, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Leonid Sluzki, der Agentur Itar-Tass.

Aus dem Föderationsrat, der Regionalvertretung des russischen Parlaments, kamen etwas versöhnlichere Töne. Der Preisträger habe sich durch seinen Einsatz unter anderem in Namibia, Indonesien und Nordirland verdient gemacht, sagte der außenpolitische Sprecher Michail Margelow. "Wäre da nicht die Anweisung der Vereinten Nationen zum Kosovo gewesen, die Ahtisaari nicht erfüllte, hätte die Verleihung des Preises überhaupt keinen bitteren Beigeschmack", so Margelow.

Entscheidung aus Angst vor China?

In Oslo musste sich Komiteechef Ole Danbolt Mjøs nach der Bekanntgabe der Entscheidung ungewöhnlich aggressiver Fragen erwehren. Ob es einen anderen Grund als "Angst vor chinesischen Behörden" dafür gebe, dass in diesem Jahr kein chinesischer Menschenrechtler ausgezeichnet worden sei, fragte ein Journalist.

"Das Nobelkomitee wagt immer alles", antwortete Mjøs trotzig. Am Donnerstag hatte eine Warnung der chinesischen Regierung, keinen inhaftierten Dissidenten auszuzeichnen, für Aufsehen gesorgt. Die Osloer Regierung sei über die Aussicht auf Ärger mit Peking nicht sonderlich erfreut gewesen, mutmaßte nicht nur Norwegens führende Zeitung Aftenposten. Ob das bei der Entscheidung eine Rolle gespielt hat, wird das fünfköpfige Komitee auf Jahrzehnte für sich behalten.

Enttäuschung bei Betancourt-Anhängern

Die Wahl Ahtisaaris hat bei der früheren Farc-Geisel Ingrid Betancourt und ihren Unterstützern für große Enttäuschung gesorgt. Die franko-kolumbianische Politikerin hatte sich selbst Hoffnung auf den Preis gemacht und für den Mittag schon eine Pressekonferenz im Pariser Nobelhotel Le Meurice angekündigt.

Ihr Unterstützerkomitee "Agir avec Ingrid", das sich jahrelang für ihre Befreiung aus der Gewalt der kolumbianischen Farc-Guerilla einsetzte, hatte den Medien schon am Donnerstag eine Presserklärung geschickt, die für den Fall von Betancourts Auszeichnung veröffentlicht werden sollte. "Mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Ingrid Betancourt sendet das Nobelkomitee eine starke Botschaft an Geiselnehmer und Terroristen, die ungestraft mit der Freiheit der Menschen spielen", wurde die vermeintliche Entscheidung in Oslo darin vorab gelobt. Vergeblich - zumindest für dieses Jahr.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: