Reaktionen auf die Strache-Affäre:Die Kunst der Verdrängung

Salvini, Le Pen, Orbán, Wilders: Rechtspopulistische Parteien und Politiker in anderen europäischen Ländern versuchen, sich unbeeindruckt zu geben.

Von Oliver Meiler, Nadia Pantel, Peter Münch, Thomas Kirchner

Reaktionen auf die Strache-Affäre: Matteo Salvini begrüßt Marine Le Pen beim Treffen europäischer Nationalisten in Mailand. Heinz-Christian Strache konnte nicht kommen.

Matteo Salvini begrüßt Marine Le Pen beim Treffen europäischer Nationalisten in Mailand. Heinz-Christian Strache konnte nicht kommen.

(Foto: Miguel Medina/AFP)

Italiens Zeitungen zeigen nun alle dasselbe Foto aus besseren Zeiten: Es ist ein Selfie aus dem vergangenen Sommer, aufgenommen in Rom. Man sieht darauf Matteo Salvini und Heinz-Christian Strache, Kopf an Kopf, ein Vizepremier und ein Vizekanzler. Beide lachen. Fotografiert hat Salvini, er postete das Bild damals auf Facebook.

Als man ihn nun am Rand des Mailänder Gipfels der Nationalisten Europas fragte, was er von dem Video aus Ibiza halte, das Straches Karriere vorläufig beendet hat, sagte Italiens oberster Rechtspopulist: "Ich habe es noch nicht gesehen, ich hatte viel zu tun dieser Tage." Er werde es sich aber ansehen und sich ein Bild machen. Das war am Samstag. Seitdem war er auf allen Kanälen mit irgendetwas präsent. Nur zur Causa Strache hat er sich nicht mehr geäußert.

In Strache verliert Matteo Salvini einen wichtigen Alliierten - aus einem Nachbarland noch dazu und einen mit Exekutivgewalt. Problematisch ist die Affäre für den Lega-Chef aber vor allem deshalb, weil in Italien viele denken, dass sich Ähnliches auch im eigenen Land hätte zutragen können. Und zwar im selben politischen Lager. Auch Salvini und seine Lega haben eine markante Schwäche für Wladimir Putin und Russland. Der Innenminister verpasst keine Gelegenheit, sich für eine Aufhebung der europäischen Sanktionen starkzumachen, die infolge der Krim-Annexion verhängt wurden.

Salvinis Reisen nach Moskau umschwirrt der Verdacht, sie hätten eine verdeckte Agenda gehabt. Das Nachrichtenmagazin L'Espresso etwa berichtete unlängst von einem geplanten Ölgeschäft, über das der Lega illegal drei Millionen Euro aus Moskau zufließen sollten - für die Kampagne vor den Europawahlen. Ob die Operation gelang, konnte das Heft nicht herausfinden.

Lange tat Salvini solche Vorwürfe jeweils als Fantasterei ab, ganz gelassen. Viel Gunst kosteten sie ihn nämlich nicht: Die Lega steht gemäß Umfragen bei 30 Prozent der Wahlabsichten. Doch in den vergangenen Wochen legten sich plötzlich Korruptionsschatten auf Parteileute und engste Vertraute. Sein Wirtschaftsberater Armando Siri musste das Amt des Staatssekretärs abgeben, weil die Justiz wegen mutmaßlicher Nähe zu mafiösen Kreisen gegen ihn ermittelt. Der Corriere della Sera kommentiert die Affäre Strache nun so: "Die souveränistische, extreme Rechte steht nackt vor den Wählern." Gemeint ist die rechte Allianz, die in Mailand ihr Stelldichein gab und der Salvini als De-facto-Anführer vorsteht.

Marine Le Pen, die Chefin von Frankreichs rechtsradikaler Partei Rassemblement National, reagierte bislang nur knapp auf das Strache-Video. Sie wurde am Samstag im Rahmen einer Pressekonferenz, die sie anlässlich des Treffens rechtspopulistischer Parteien in Mailand gab, zu dem Vorfall befragt. Sie wolle die Situation "nicht bewerten", bevor Strache nicht eine eigene Erklärung abgegeben habe, sagte Le Pen. Sie fügte hinzu, dass sie es "erstaunlich" fände, dass "dieses Video, das zwei Jahre alt zu sein scheint, eine Woche vor der Europawahl veröffentlicht wird". Abschließend sagte Le Pen: "Unabhängig davon, was man den einen oder den anderen vorwerfen kann, und unabhängig davon, was dann der Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe ist, verschwindet die Tatsache nicht, dass ein Viertel der Österreicher den Wunsch haben, keine weiteren Einwanderer in ihr Land zu lassen."

Am Ende hat sich Viktor Orbán dann doch einen Kommentar nicht verkneifen können: "Unsere österreichischen Freunde kommen jetzt nicht zu uns, da dort eine außerordentliche Jagdsaison eröffnet wurde", sagte der ungarische Ministerpräsident am Montag - und entschuldigte damit das Fernbleiben des FPÖ-Verkehrsministers Norbert Hofer, der an diesem Tag eigentlich in Ungarn eine Teststrecke für innovative Verkehrslösungen hätte eröffnen sollen.

Bei allem Zynismus scheint da zumindest ein bisschen Solidarität durch, nachdem Orbán am Wochenende zunächst erklärt hatte, er werde den Rücktritt des FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache nicht kommentieren, weil es sich dabei um eine "innere Angelegenheit Österreichs" handele. In dieser "inneren Angelegenheit" allerdings spielt Orbán durchaus eine Rolle, schließlich bezeichnet Strache ihn in dem Video aus Ibiza als guten Freund und Vorbild. "Eine Medienlandschaft wie der Orbán" wolle er auch in Österreich aufbauen, heißt es da. Gepflegt worden war diese Freundschaft noch vor zwei Wochen, als sich die beiden in Budapest trafen, um über künftige Kooperationsmöglichkeiten auf europäischer Ebene zu sprechen. Doch nach Straches Sturz scheint zumindest auf einer Seite die Freundschaft doch ein wenig abgekühlt zu sein.

Man suche die Begriffe Wilders und Strache bei Google Bilder, und es wird deutlich, wie eng die Beziehung zwischen dem niederländischen Islam-Kritiker und seinem österreichischen Freund ist. Wilders und Strache haben sich in den vergangenen Jahren sehr regelmäßig getroffen und intensiv zusammengearbeitet. Zu Ibizagate verlor der Ober-Twitterer der niederländischen Politik kein Wort in den sozialen Medien. Lieber verbreitete er Selfies mit seinen nationalistischen Freunden, die er am Samstag in Mailand traf, um das "Monster EU" zu bändigen. Immerhin, ein kurzer Kommentar wurde ihm entlockt. Strache habe mit seinem Rücktritt "das Richtige getan", sagte er demnach.

Wilders' neuer Konkurrent auf der Rechten, Thierry Baudet, hat andere Sorgen. Er darf am Mittwoch im Fernsehduell gegen Premier Mark Rutte antreten. Das ist eine Premiere im Land - und ein Affront für die Spitzenpolitiker anderer Parteien, die zuschauen müssen.

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