Reaktionen auf den Tod von Osama bin Laden:Die falsche Freude der Christlichen

Dürfen sich christliche Politiker über den Tod eines Menschen freuen? Ja, finden Merkel und Seehofer und begrüßen die Tötung Osama bin Ladens. Bei vielen Menschen lösen sie damit ziemliches Unbehagen aus - über Parteigrenzen hinweg.

Thorsten Denkler

Günther Beckstein hat am Frühstückstisch mit seiner Frau diskutiert. Es ging um dieses gewisse Unbehagen, das beide empfinden - darüber, dass weltweit Jubel und Freude herrschen, weil die Amerikaner den Terrorfürsten Osama bin Laden getötet haben. Eine Freude, die auch deutsche Politiker teilen.

Merkel zu Tod von Osama bin Laden

Angela Merkel nach der Pressekonferenz zum Tod von Osama bin Laden. Sie freue sich, dass es gelungen sei, den Terroristenchef zu töten, sagte die Kanzlerin. Darf sie das?

(Foto: dpa)

Vorneweg die beiden höchsten Repräsentanten der christlichen Parteien: Angela Merkel und Horst Seehofer. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Seehofer lässt sich zitieren mit einem "Gefühl der Freude", das ihn erfasst habe. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Merkel spricht es ganz klar aus: "Ich freue mich, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten. Das ist es, was jetzt für mich zählt."

Beckstein, einst als bayerischer Innenminister oberster Terrorismusbekämpfer in seinem Land, kann nicht verhehlen, dass er damit so seine Probleme hat. "Bei dem Jubel über die bewusste Tötung habe ich zwiespältige Gefühle", sagt der frühere bayerische Ministerpräsident zu sueddeutsche.de.

Er könne zwar "die Freude darüber verstehen, dass der Terrorismus seinen wichtigsten Kopf verloren hat", sagt der Vizepräses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Aber die Art und Weise, wie die Amerikaner Bin Laden zu Strecke gebracht haben, die "vorsätzliche Tötung", die sei nach seinem ethischen und seinem Rechtsverständnis "hoch problematisch".

So wie Beckstein dürfte es vielen Parteigängern von Merkel und Seehofer gehen, denen das "C" im Parteinamen noch wichtig ist. Eine von ihnen ist Ingrid Fischbach, die für Religion zuständige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Fischbach sagt zu sueddeutsche.de, man dürfe nicht vergessen, "dass Osama bin Laden über Jahre hinweg der Drahtzieher unzähliger Terroranschläge in der ganzen Welt war: Viele Menschen wurden getötet, viele Menschen haben Angehörige verloren und trauern bis heute". Doch aus christlicher Sicht sei es "sicher nicht angemessen, Freude über die gezielte Tötung eines Menschen und dessen Tod zu äußern".

Wer in dieser Frage die Bibel konsultiert, bekommt eine klare Ansage. Das fünfte Gebot im Alten Testament lautet schlicht: "Du sollst nicht töten." Unter Theologen ist jedoch umstritten, ob der Satz als universales Tötungsverbot auszulegen ist oder sich eher auf den Mord bezieht.

"Der Tod ist immer eine Tragödie"

Klarer ist die Antwort darauf, ob man Freude über den Tod eines Menschen zum Ausdruck bringen darf. "Nein", sagt der evangelische Theologe Cornelis de Vos. Er arbeitet am Excellenzcluster "Religion und Politik" der Uni Münster und hat sich intensiv mit dem Tötungsverbot in der Bibel auseinandergesetzt. De Vos hat eine klare Haltung: "Aus christlicher Sicht darf niemand Freude über den Tod eines Menschen äußern."

Im Vatikan wird diese Haltung geteilt: Bin Laden sei zwar verantwortlich gewesen "für Spaltungen und Hass zwischen den Völkern", sagte der Sprecher Papst Benedikts XVI., Federico Lombardi, am Montag in Rom. Der Tod eines Menschen sei für einen Christen aber niemals Grund zur Freude. Das gelte auch für den Tod Osama bin Ladens.

Bei Pfarrer Pascal Kober, der für die FDP im Bundestag sitzt, löste der allgemeine Jubel dann auch "Befremden" aus. "Der Tod eines Menschen ist immer eine Tragödie - auch wenn er größte Schuld auf sich geladen haben mag".

Ähnlich äußert sich Kathrin Göring-Eckart von den Grünen. Die Bundestagsvizepräsidentin und Präses der evangelischen Synode sagt, sie verstehe jeden, der sich freue, dass Bin Laden sein Unwesen nicht mehr treiben kann. "Als Christin aber sage ich: Ich kann mich nicht über den gezielten Tod eines Menschen freuen." Freude darüber sei "nicht angemessen".

Von der Pfarrerstochter Angela Merkel hätte sich Göring-Eckart deshalb eine "differenziertere Einordnung" gewünscht. Als Kanzlerin eines rechtstaatlichen Landes hätte sie deutlich machen müssen, "dass es nicht die erste Absicht gewesen sein kann, Bin Laden zu töten", sagt die Grünen-Politikerin.

Gefreut hätte sie nur eines: "Wenn er festgenommen worden wäre." Das wäre auch im Sinne von FDP-Mann Pascal Kober gewesen: "Von unserem Rechtsstaatsverständnis her gilt zunächst die Unschuldvermutung." Bin Laden habe sich mit den Terrortaten zwar gerühmt. Aber: "Selbst ein Geständnis verlangt immer nach einem Urteil eines unabhängigen Gerichtes."

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