Süddeutsche Zeitung

Reaktionen auf das Sparpaket:"Anschlag auf sozialen Frieden"

Das schwarz-gelbe Sparpaket hat heftige Kritik bei Opposition und Verbänden ausgelöst. Linken-Fraktionschef Gysi fordert die Bevölkerung zum Widerstand auf. Die Reaktionen im Überblick.

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi fordert die Bevölkerung zum öffentlichen Widerstand gegen das Sparpaket auf. Er spricht von einem "Anschlag auf sozialen Frieden und Demokratie". Union und FDP ließen Rentner, Arbeitslose, sozial Benachteiligte und Familien für die Zockerei der Banken und Spekulanten bluten. "Das ist nicht nur grob ungerecht, sondern offenbart das wahre Gesicht dieser Koalition der sozialen Kälte und der politischen Geisterfahrerei", sagt Gysi.

Linken-Chef Klaus Ernst

Der Kritik schließt sich Linken-Parteichef Klaus Ernst an: "Jetzt werden die Arbeitnehmer, Rentner und Familien für die Zockerei der Banken zur Kasse gebeten." Es werde "Riesenproteste" geben.

SPD-Chef Sigmar Gabriel

SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisiert das Sparpaket scharf. "Wir müssen erleben, dass Arbeitslose quasi die Hälfte des notwendigen Sparbetrags bezahlen müssen." Union und FDP schonten ihre Klientel, aber "schröpfen Arbeitslose und Familien", wirft Gabriel der Koalition weiter vor. Zudem fehlten in den Regierungsbeschlüssen jegliche Anreize für zusätzliche private und kommunale Investitionen.

SPD-Franktionschef Frank-Walter Steinmeier

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wirft der Bundesregierung eine Umverteilung von unten nach oben vor. Er sagt, die Steuergeschenke für Hoteliers und Unternehmen entsprächen etwa der Summe, die die Regierung jetzt beim Arbeitsmarkt einsparen wolle. In diese Wunde werde die SPD im Bundestag immer wieder ihre Finger legen und Alternativen zu den Sparvorschlägen der Koalition aufzeigen. Wenn die Regierung ihr Sparpaket als "einmaligen Kraftakt" bezeichne, dann entgegne er: "An Mut und an Kraft hat es hier gefehlt."

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD)

Auch Steinmeiers Parteikollege, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, kritisiert das Sparpaket als unsozial und unkonkret. "Man hat zwei Tage getagt, und eine Nebelwolke geboren", sagt der SPD-Politiker. Aus den bisher vorliegenden Informationen sei als einzig Konkretes herauszulesen, dass die Regierung bei Familien und Menschen mit kleinen und kleinsten Einkommen "hart einschneiden" wolle. In den übrigen Bereichen seien kaum konkrete Sparvorschläge zu erkennen. Die obersten und höchsten Einkommen "will man offenbar nicht zu den Sparoperationen heranziehen", kritisiert Beck. Das mache deutlich, dass die Regierung nicht in der Lage sei, "Klarheit zu schaffen und ein sozial ausbalanciertes Sparkonzept vorzulegen", fügt er hinzu.

Volker Beck, Geschäftsführer der Grünen-Fraktion

Die Grünen kritisieren, die Handschrift der Koalition sei die Kürzung bei den Schwachen. Schwarz-Gelb scheue eine höhere Belastung der Vermögenden wie der Teufel das Weihwasser, sagt Fraktions- Geschäftsführer Volker Beck.

Gewerkschaft Verdi

Die Gewerkschaft Verdi warnt, eine Rotstift-Politik werde die soziale Schieflage im Land verschärfen. "Die Bundesregierung belastet einseitig die Schwachen in der Gesellschaft, statt starke Schultern angemessen zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen", sagt Verdi-Chef Frank Bsirske.

Paritätischer Wohlfahrtsverband

Als absolut inakzeptabel bezeichnet der Paritätische Wohlfahrtsverband das Sparpaket. Der Verband fordert die Rücknahme der arbeitsmarktpolitischen Kürzungen und warnt vor dem Auseinanderbrechen der Gesellschaft. Zur Konsolidierung des Haushalts fordert er vor allem die Beseitigung von Steuerprivilegien wie etwa für Erben und Vermögende. "Das Sparpaket offenbart, welch Geistes Kind diese Koalition ist. Statt von den Starken zu nehmen um den Schwachen zu helfen, wird skrupellos ausgerechnet bei den Ärmsten gespart", kritisiert Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Die beschlossenen Kürzungen bei Hartz IV dienten vor allem der Drangsalierung von Arbeitslosen und hätten keinen nennenswerten finanzpolitischen Effekt.

Deutscher Beamtenbund

Beim Deutschen Beamtenbund haben vor allem die heftigen Stellenkürzungen auf Verwaltungsebene für Empörung gesorgt. Der angekündigte Stellenabbau von 10.000 Stellen bis einschließlich 2014 werde fatale Folgen haben, sagt der Bundesvorsitzende von Beamtenbund und Tarifunion, Peter Heesen. Anstatt ein nachhaltiges Konsolidierungskonzept vorzulegen, das Ausgaben- und Einnahmeseite gleichermaßen optimiere, "verfranze" sich die CDU/CSU/FDP-Regierung nun im "Alibi-Sparen" beim Bundespersonal. "Das mag ihr zwar billigen Beifall bringen, doch den Staat und seine Bürger wird diese Strategie teuer zu stehen kommen", sagt Heesen.

Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen

Lob für das Paket gibt es von einigen Wirtschaftsverbänden: Der Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, Anton Börner sagt: "Das geplante Sparpaket ist ein entschlossener Schritt, den aufgeblähten Staat wieder auf finanzierbare Pfade zurückzuführen." Beim Sparen müsse allem voran bei Bürokratie und Ausgaben angesetzt werden.

Deutscher Städte- und Gemeindebund

Eine positive Reaktion kommt auch vom Städte- und Gemeindebund. Geschäftsführer Gerd Landsberg sagt: "Bei einer Gesamtverschuldung von 1,7 Billionen Euro von Bund, Ländern und Gemeinden müssen wir endlich den Weg aus dem Schuldensumpf finden. Das geht nicht ohne Einschnitte auch im Sozialbereich."

Bund für Umwelt und Naturschutz

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sieht in dem Sparpaket einige positive Ansätze für den Umweltschutz. Als Beispiel nennt der Bund die Einführung einer ökologischen Luftverkehrsabgabe im Flugverkehr und einer Brennelementesteuer.

Lufthansa

Die Fluggesellschaft Lufthansa reagiert mit Erschrecken auf den Plan, eine Luftverkehrsabgabe einzuführen. "Sollte das zutreffen, wäre das ein schwarzer Tag für den Luftverkehrsstandort Deutschland", sagt eine Sprecherin. Die Politik versuche, mit einem untauglichen Mittel Haushaltslöcher zu stopfen.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit

Heftige Diskussion hat auch der Beschluss ausgelöst, den Bau des Berliner Stadtschlosses aus Spargründen auf 2014 zu verschieben. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit spricht von einem "kulturpolitischen Armutszeugnis" und einer "Kurzschlussreaktion" der schwarz-gelben Koalition. Mit der Verschiebung für den Bau des sogenannten Humboldt-Forums sei die Zukunft dieses Projekts nun "völlig ungewiss", erklärt Wowereit.

Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU)

Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) verweist darauf, dass der Bundestagsbeschluss zum Berliner Schloss trotz der Verschiebung des Projekts nach wie vor gelte. "Dazu stehe ich", erklärt er. Nur wenn der Bundestag seine Haltung ändert, gäbe es eine neue Ausgangslage.

Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt

Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt, ein langjähriger Kritiker des Projekts, reagiert erfreut auf die Entscheidung. "Das ist ein spätes Eingeständnis, dass ein politisch gewolltes Projekt bei der Bevölkerung keine Rückendeckung bekommen hat", sagt er. In einer Forsa-Umfrage hatten sich kürzlich 80 Prozent der Berliner dafür ausgesprochen, das Schloss ganz zu kippen.

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