Süddeutsche Zeitung

Reaktionen auf Amtseinführung von Trump:"Wir müssen uns warm anziehen"

  • Nach der Antrittsrede von US-Präsident Donald Trump äußern sich deutsche Politiker teils ausgesprochen besorgt über "Abschottung" und einen möglichen "Handelskrieg".
  • Die Regierungschefs der Nachbarländer Kanada und Mexiko bemühen sich in ersten Reaktionen um einen konstruktiven Ton - hier stellt Trump die Handelsbeziehungen besonders in Frage.

Die Antrittsrede des neuen US-Präsidenten Donald Trump löst in Deutschland und der ganzen Welt Reaktionen aus. Trump kündigte einschneidende Veränderungen an und grenzte sich massiv von der Politik seines Vorgängers Barack Obama ab. Der 70-Jährige wörtlich: "Von jetzt an wird eine neue Vision dieses Land regieren. Von diesem Tag an heißt es: Amerika zuerst." Vor diesem Hintergrund wachsen international die Sorgen vor einem US-Protektionismus mit neuen Handelsbarrieren und Schwierigkeiten in den internationalen Beziehungen. Die ersten Äußerungen deutscher und internationaler Politiker im Überblick.

Bundeskanzlerin Angela Merkel pocht auf die Einhaltung internationaler Regeln und einen respektvollen Umgang miteinander. Am besten sei es für alle, wenn es ein "regelbasiertes, auf gemeinsamen Werten beruhendes, gemeinsames Agieren" gebe, sagte Merkel am Samstag nach einer Klausurtagung der baden-württembergischen CDU im Kloster Schöntal. Dies gelte etwa für die internationale Wirtschafts- und Handelsordnung.

Auch im Bereich der Verteidigung müssten im Rahmen bestehender Bündnisse Beiträge geleistet werden. Darüber hinaus betonte Merkel, das transatlantische Verhältnis werde in den nächsten Jahren nicht weniger wichtig. "Selbst wenn es unterschiedliche Meinungen gibt, sind Kompromisse, sind Möglichkeiten immer dann am besten zu finden, wenn man eben in Respekt miteinander sich austauscht." Deutschland werde versuchen, im Rahmen seiner G20-Präsidentschaft dazu einen Beitrag zu leisten.

Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte am Freitagabend im ZDF, die Lehre aus Trumps Erfolg für Europa laute, mehr zusammenzuhalten. Er warnte davor, Trump zu unterschätzen. "Das waren heute hoch nationalistische Töne", sagte er. Man müsse davon ausgehen, dass Trump es "wirklich ernst" meine: "Wir müssen uns warm anziehen." Zugleich warb Gabriel für eine neue Wirtschaftsstrategie mit Asien: "Wenn die USA mit China und ganz Asien einen Handelskrieg beginnen, dann sind wir ein fairer Partner"

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen reagierte mit Enttäuschung auf Trumps Antrittsworte: "Dies war eine Rede, die das Land weiter und tiefer spalten wird", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages der Rheinischen Post .

Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), sagte dem selben Blatt: "Sollte er mit dem Slogan 'America first' mit einem neuen amerikanischen Egoismus und Protektionismus ernst machen, dann müssen wir dem ein 'Europe first' entgegensetzen". Dies bedeute dann aber nicht Isolation, sondern beispielsweise die gezielte Suche nach neuen Partnern: "Dann muss die EU beispielsweise zügig auf Kanada, Mexiko oder Japan zugehen."

Der frühere EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sprach, ebenfalls in der Rheinischen Post, von einer "neuen Regierung, mit der wir gut, professionell und unaufgeregt zusammenarbeiten werden". Schulz wird als Nachfolger von Frank-Walter Steinmeier im Amt des Bundesaußenministers gehandelt.

Der Koordinator für transatlantische Beziehungen im Auswärtigen Amt, Jürgen Hardt (CDU), warnte vor einer Abschottung der USA. "Er geht mit diesem Kurs ein großes Wagnis ein", sagte der Politiker der Welt.

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sagte der Welt, Trump wolle Amerika offenbar einmauern. "Er macht Amerika nicht groß, sondern klein. Protektionismus wird Programm." Angesichts dieses Rückzuges der Amerikaner müsse Europa zusammenstehen. Dem Sender n-tv sagte Trittin: "Wir steuern auf eine Situation zu, wo es einen potenziellen Handelskrieg zwischen den USA und Europa geben kann."

Auch international äußerten sich viele Politiker, die sich künftig mit Trump auseinandersetzen müssen.

Frankreichs Präsident François Hollande sagte in Hinblick auf dessen Ankündigungen: "Wir sind in einer globalen und offenen Wirtschaft." Es sei "nicht möglich, und es ist auch nicht wünschenswert, sich von der Weltwirtschaft isolieren zu wollen".

Die britische Premierministerin Theresa May geht nach eigener Aussage davon aus, dass Trump trotz seiner kritischen Äußerungen die Zusammenarbeit in der Nato pflegen wird. Er "erkennt die Wichtigkeit und die Bedeutung der Nato an", sagte May in einem vor der Inauguration veröffentlichten Interview mit der Financial Times. Sie sei außerdem "zuversichtlich, dass die USA die Bedeutung der Zusammenarbeit anerkennen werden, die wir in Europa haben, um unsere kollektive Verteidigung und kollektive Sicherheit sicherzustellen", fügte die konservative Premierministerin hinzu. May will Trump nach Angaben ihres Sprechers im Frühjahr einen Besuch abstatten. Laut Financial Times könnte sie schon nächsten Monat nach Washington reisen.

Kurz nach der Vereidigungszeremonie betonte Kanadas Premierminister Justin Trudeau die starken Wirtschaftsbeziehungen der beiden Nachbarländer. Die USA und Kanada hätten "solide Handels- und Investitionsbeziehungen und integrierte Wirtschaften, die Millionen kanadischer und amerikanischer Jobs unterstützen", teilte Trudeau mit. Der linksliberale Trudeau, der sich für globalen Handel stark macht, spielt damit offenbar auf eine mögliche Auseinandersetzung um das Nafta-Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko an. Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, Nafta neu verhandeln oder sogar aufkündigen zu wollen.

Der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto will mit seinem US-Kollegen respektvoll zusammenarbeiten. "Ich gratuliere Präsident Trump zu seinem Amtsantritt", schrieb der Staatschef auf Twitter. "Mit gemeinsamer Verantwortung werden wir zusammenarbeiten, um unsere Beziehung zu stärken." Trump hatte Mexikaner im Wahlkampf als Vergewaltiger und Drogenhändler diffamiert. An der Grenze zu Mexiko will er eine Mauer errichten, um die illegale Einwanderung zu stoppen. "Wir werden in einen respektvollen Dialog mit der Regierung von Präsident Trump treten, zum Wohle Mexikos", schrieb hingegen Peña Nieto. "Die Souveränität, das nationale Interesse und der Schutz der Mexikaner werden die Beziehungen zu der neuen US-Regierung bestimmen."

Papst Franziskus gratulierte Donald Trump zum Amtsantritt und forderte den neuen US-Präsidenten zugleich auf, sich auch um die Armen zu kümmern. Franziskus erklärte in einer Botschaft an Trump, er bete dafür, dass dieser sein Amt mit "Weisheit und Stärke" ausführen werde. In einer Zeit "schlimmer humanitärer Krisen" hoffe er zugleich, dass Trumps Entscheidungen "von den spirituellen und ethischen Werten" geleitet würden, die die US-Geschichte geformt hätten. Die Vereinigten Staaten würden unter Trumps Führung weiterhin an der Sorge für "die Armen, die Zurückgewiesenen und die Notleidenden" gemessen werden, betonte der Papst.

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