Reaktionen auf Afghanistan-Besuch:Wie Obama am Hindukusch Wahlkampf macht

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Mission accomplished? Es ist Wahlkampf in den USA und Barack Obama fliegt deshalb mal eben nach Afghanistan, inszeniert sich als entschlossener und erfolgreicher Kriegsherr. Wenn es aber um das konkrete Abzugsprozedere aus Afghanistan geht, bleibt der US-Präsident vage. Zu präsent ist die unerfüllte Mission seines Vorgängers Bush im Irak.

US-Präsident Barack Obama hat in Afghanistan das nahende Ende des Krieges am Hindukusch verkündet - die Inszenierung seines Auftritts wird als Trumpf im Vorwahlkampf um die US-Präsidentschaft gewertet.

Dass der Präsident dabei absolut vage blieb, was das genaue Abzugsprozedere angeht, gilt als Indiz dafür, dass Obama sich ein Hintertürchen offenhält. Für den Fall, dass sich der Abzug verzögert.

Auch der Vertrag mit Afghanistans Präsident Hamid Karsai für das Jahrzehnt nach dem offiziellen Ende des Einsatzes Ende 2014 spricht für diese Deutung. Nach Angaben des Weißen Hauses sieht das Abkommen die Möglichkeit vor, dass US-Truppen weiter afghanische Sicherheitskräfte ausbilden und Al-Qaida-Mitglieder bekämpfen. Afghanistan soll den von den USA gewährten Sonderstatus eines "wichtigen Nicht-Nato-Verbündeten" erhalten.

Vergleiche mit Vorgänger Bush

Obamas dritter Besuch beim afghanischen Premierminister Hamid Karsai war zugleich der symbolträchtigste: Exakt ein Jahr nachdem Osama bin Laden in seinem Haus im pakistanischen Abottabat von US-Soldaten erschossen worden war, erinnert der Präsident im Wahlkampf durch seinen Besuch an den Erfolg seiner Mission, die er sich schon vor Beginn seiner Amtszeit zum Ziel gemacht hatte.

Die Reaktionen in der amerikanischen Presse fallen sehr unterschiedlich aus, immer wieder werden aber Vergleiche mit Obamas Vorgänger George W. Bush angestellt. Dieser hatte am 1. Mai 2003 in einer aufwändigen Inszenierung das Ende der Kampfeinsätze im Irak verkündet: "Mission accomplished" (Aufgabe erledigt).

Dazu ließ sich Bush damals vor Kalifornien auf den Flugzeugträger Abraham Lincoln setzen, der vom Irak-Einsatz heimkehrte. Mit dem militärischen Erfolg im Irak sei ein wichtiger Schritt im weltweiten Kampf gegen den Terrorismus geschafft, hatte Bush vor 5000 Soldaten verkündet. Das erwies sich als voreilig: Es dauerte noch weitere sieben Jahre, bis die letzten regulären US-Kampftruppen 2010 den Irak verließen.

In Anlehnung daran nennt Autor Howard Fineman seinen Kommentar auf Huffingtonpost.com doppelsinnig "Mission erfüllt?". Der Besuch in Afghanistan sei der Höhepunkt der sogenannten Osama-Woche gewesen, schreibt er, die das Weiße Haus mit Informationen, Geschichten und Auszügen aus einem NBC-Nachrichten-Spezial angefüttert hatte. Das NBC-Team hatte während der "Operation Geronimo" am 1. und 2. Mai 2011 offenbar freien Zugang zu dem Besprechungsraum, von wo aus Präsident Obama die Tötung von Osama bin Laden beobachtet und kontrolliert hatte, wie der Autor irritiert anmerkt.

Am Dienstagabend sagte Obamas rebublikanischer Herausforderer Mitt Romney öffentlich, er hätte wie Obama gehandelt, als es um die Ergreifung Bin Ladens ging. Für Fineman ist das ein Anzeichen dafür, dass Romney darauf ziele, dass sich dadurch ein Teil von Obamas Rolle als Oberbefehlshaber der Verteidigungs- und Auslandspolitik auf ihn übertrage. Romney hatte 2008, als Obama ankündigte, Osama bin Laden in Pakistan jagen zu wollen, Zweifel angekündigt. Am Montag hatte er nun gesagt, die Entscheidung sei so einfach gewesen, dass sogar Ex-Präsident Jimmy Carter den Befehl hätte geben können. Carter hatte 2002 den Friedensnobelpreis für sein Engagement für Menschenrechte erhalten.

Die Osama-Woche sei aber nur eine Strategie des Obama-Teams, schreibt Fineman, Bereiche in Obamas Wahlportfolio zu markieren, in denen die Stärke des Präsidenten unbestritten sei - und ihn dadurch eine Woche lang aus der Schusslinie von Romneys Attacken auf die schwache US-Wirtschaft und die Arbeitslosigkeit zu nehmen.

Ob Obama nun die Mission erfüllt habe, die Bush bereits einst voreilig für erfüllt erklärt hatte, will der Autor erst nach der "Osama-Woche" untersuchen.

Angeblich keine große Sache

Alisa J. Rubin von der New York Times hingegen nennt den Zeitpunkt des Besuchs eine "hauchdünne Chance für ihn, das Beste aus einem winzigen Zeitfenster zu machen, in dem die Beziehungen zwischen den beiden Regierungen sich nach monatelanger Krise gerade ein wenig verbessert haben" - während der anstehende Nato-Abzug noch einige Monate weit entfernt sei.

Die Bloomberg-Kolumnistin Margaret Carlson ergreift Partei für den Präsidenten. Die momentanen Attacken der Republikaner zielten auf seine Persönlichkeit und seine Zeugnisse in nationaler Sicherheit ab. Ersteres durch ein Video, das ihn als "Celebrity Präsidenten" präsentiert, letzteres in dem Hinweis, die Osama-Tötung sei keine große Sache gewesen. Allerdings, so die Autorin, hatte sich Obama im Gegensatz zu Romney dezidiert für eine Tötung ausgesprochen - während Romney das nicht tat und möglicherweise auch nicht getan hätte.

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