Reaktion aus Iran:Diplomaten im Visier

Ablenkung oder Absicht: Teheran wirft dem Westen vor, Randalierer zu unterstützen und denkt laut darüber nach, Diplomaten wegzuschicken. In Berlin wurde der iranische Botschafter vorgeladen.

Angesichts der Kritik des Westens an dem Vorgehen Teherans nach der Wiederwahl des konservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad erwägt Iran die Ausweisung europäischer Diplomaten. Außenamtssprecher Hassan Kaschkawi sagte in Teheran, über diese drastische Maßnahme werde derzeit in seinem Haus sowie im Parlament beraten. Außenminister Munacher Mottaki werde im Laufe des Tages mit dem zuständigen Parlamentsausschuss sprechen.

Reaktion aus Iran: Kritisiert den Westen mit scharfen Worten: Hassan Kaschkawi, der Sprecher des iranischen Außenministeriums.

Kritisiert den Westen mit scharfen Worten: Hassan Kaschkawi, der Sprecher des iranischen Außenministeriums.

(Foto: Foto: dpa)

Kaschkawi warf dem Westen vor, sich für die "Randalierer" bei den Straßenprotesten gegen den Ausgang der Präsidentenwahl einzusetzen. "Die Unterstützung von Anarchie und Vandalismus durch westliche Mächte und Medien ist in keiner Weise hinnehmbar." Teheran bezeichnet Ahmadinedschads Wiederwahl als innere Angelegenheit und verbittet sich jeglichen Kommentar des Westens. Die Behörden haben die Möglichkeiten ausländischer Berichterstatter stark eingeschränkt. Eine unabhängige Vorort-Berichterstattung ist daher derzeit nicht möglich.

Parlamentspräsident Ali Laridschani hatte am Sonntag eine Überprüfung der Beziehungen vor allem zu Großbritannien, Deutschland und Frankreich gefordert, den drei Staaten, die im Streit um das iranische Atomprogramm die Verhandlungen für die EU führen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte eine Neuauszählung der Wahlzettel verlangt.

Die Bundesregierung wies die Vorwürfe Irans zurück, sich in innere Angelegenheiten einzumischen. Zugleich wurde der iranische Botschafter zu einem klärenden Gespräch ins Außenministerium eingeladen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte in Berlin, Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Staats- und Regierungschefs hätten die Einhaltung des internationalen Rechts angemahnt.

Irans Botschafter einbestellt

"Dieses zu tun ist im Einklang mit dem Völkerrecht." Er könne darin keine Einmischung in innere Angelegenheiten erkennen. Iran habe den internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet und müsse ihn einhalten. Dazu gehören neben Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit auch das Recht auf die Teilnahme an allgemeinen und geheimen Wahlen, sagte Wilhelm.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte in Berlin, bislang seien die Vorwürfe aus Teheran nur über die Medien bekannt. Deswegen sei der iranische Botschafter für Montagnachmittag zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt eingeladen worden, um die Äußerungen zu klären.

Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi hatte seine Anhänger zur Fortsetzung der Proteste aufgerufen. Angesichts des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte forderte er am Sonntagabend jedoch zur Zurückhaltung bei Demonstrationen auf. In der Nacht zum Montag riefen wieder Gegner Ahmadinedschads nach Angaben von Augenzeugen "Allah ist groß" sowie Mussawis Namen.

Anhänger Mussawis wollten am Montagnachmittag erneut auf die Straße gehen. Als Zeichen der Trauer für die Getöteten sollten seine Anhänger in der Zeit zwischen 14.30 und 15.30 Uhr (17.00 und 18.00 Uhr Ortszeit) die Scheinwerfer ihrer Autos aufblenden, heißt es in einem Aufruf von Oppositionsanhängern, der auf Mussawis Internetseite veröffentlicht wurde.

Drohung der Revolutionsgarden

Die Revolutionsgarden in Iran, die mächtigsten Streitkräfte des Landes, drohten mit der Zerschlagung möglicher weiterer Proteste. Die Demonstranten sollten sich auf eine Konfrontation mit den Sicherheitskräften einstellen, falls sie erneut auf die Straße gingen, erklärte die Elitetruppe am Montag auf ihrer Webseite. Die Opposition solle "die Sabotage und die aufrührerischen Aktivitäten" einstellen. Der Widerstand sei eine "Verschwörung" gegen Iran.

Seit Sonntag sorgt auch ein Video im Internet weltweit für Aufregung, das angeblich den Tod einer jungen Frau am Rande der Demonstrationen in Teheran vom Samstag zeigt. In den sozialen Netzwerken hieß es, die 19-jährige Neda sei von einem Scharfschützen der berüchtigten und Ahmadinedschad nahestehenden Bassidschi-Milizen tödlich getroffen worden, während sie mit ihrem Vater die Proteste beobachtete. Die Echtheit der Aufnahme und die geschilderten Umstände konnten jedoch nicht nachgeprüft werden.

Unklarheit über Einladung nach Italien

Der italienische Außenminister Franco Frattini forderte Teheran auf, noch am Montag über die bisher geplante Teilnahme am Treffen der G-8-Außenminister in Triest zu entscheiden. "Wenn es heute keine Antwort gibt, verfällt die Einladung", sagte Frattini in Rom. Die Außenminister treffen sich am Donnerstag und Freitag dieser Woche.

Iran hat bisher nicht bestätigt, mit den Chefdiplomaten der führenden Industriestaaten und Russlands (G 8) in Triest über Afghanistan und Pakistan sprechen zu wollen. "Der Dialog geht weiter, aber erst muss die Gewalt enden", hatte Frattini am Sonntag erklärt. Rom hat die G-8-Präsidentschaft inne.

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