Süddeutsche Zeitung

Reaktion auf Terror in Paris:Clinton: Amerika muss den Kampf gegen IS anführen

  • US-Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton spricht vor dem Think Tank Council on Foreign Relations über die Rolle Amerikas im Kampf gegen den IS.
  • Amerika solle die Führungsrolle übernehmen, aber Clinton fordert auch mehr Engagement der Europäer und der Golfstaaten.
  • Stimmungsmache gegen Flüchtlinge, wie sie Donald Trump macht, erteilt Clinton eine Absage.

Von Matthias Kolb, Washington

Drei Punkte umfasst die Strategie, mit der Hillary Clinton der Bedrohung durch die IS-Terrormiliz begegnen will. In einer Rede vor dem Council on Foreign Relations in New York sagte die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, dass dies ein "weltweiter Kampf" sei - und sie betonte, dass die USA ihn anführen sollten. Der selbst ernannte "Islamische Staat" müsse zerstört werden.

Die ehemalige Außenministerin bezeichnet den IS als deutlich gefährlicher als al-Qaida und andere Dschihadisten. Die drei Bausteine ihrer Strategie sind:

IS muss in Syrien, Irak und im Nahen Osten besiegt werden

Clinton möchte, dass sich mehr Alliierte an den Luftschlägen gegen den IS beteiligen. Sie beklagt, dass der Westen zu wenig intelligence habe: also Informationen über die Gebiete, die unter der Kontrolle der Terrormiliz stehen. Die Ex-Außenministerin ist überzeugt, dass Luftangriffe allein nicht reichen und deutet an, dass die USA mehr als 50 Elite-Soldaten in Syrien stationieren sollten. Sie wünscht sich, dass auch EU-Staaten und arabische Länder Sondereinsatzkräfte schicken.

Ähnlich wie US-Präsident Obama lehnt es Clinton ab, erneut Zehntausende US-Soldaten zu entsenden. Vielmehr sollten die Kräfte aus der Region unterstützt werden, die am Boden gegen die Dschihadisten kämpfen. Damit meint sie vor allem die kurdischen Peschmerga-Soldaten - und fordert von der Türkei, die Bombardements gegen die Kurden einzustellen. Ankara müsse hier ein "echter Partner" sein.

In ihrer analytischen Rede fordert Clinton auch eine Flugverbotszone, damit Syriens Diktator Assad nicht länger seine Bürger "abschlachten" könne. So könnte sich die syrische Opposition besser organisieren und mit Material versorgt werden. Dies würde auch dazu führen, dass weniger Syrer nach Europa fliehen. Von der Regierung in Bagdad fordert Clinton, "Ordnung zu schaffen" und eine schlagkräftige Armee aufzubauen, die gegen die IS-Miliz kämpfen kann.

Weltweite Infrastruktur des IS muss unterbrochen und zerstört werden

Clinton sorgt sich vor allem um die foreign fighters, die aus Europa und zum Teil auch aus den USA nach Syrien reisen. Dank ihrer Pässe sei es leichter, hin und her zu reisen. Alle Informationen über diese Dschihadisten müssen geteilt werden, so Clinton. Von der Türkei fordert sie, die Grenze zu Syrien endlich zu schließen.

Um die Finanzierung zu erschweren, sollen Banken strenger kontrolliert werden. Saudi-Arabien, Katar und die anderen Golf-Staaten müssen ihre Bürger "endlich" daran hindern, als Privatpersonen an radikale Islamisten zu spenden, sagt Clinton. Alle betroffenen Staaten müssten dafür sorgen, dass Brennpunkte wie der Brüsseler Vorort Molenbeek mehr Aufmerksamkeit bekommen. Auch im Internet und in den sozialen Medien müsse der Westen der Propaganda der Islamisten entgegen treten: "Wir dürfen ihnen auch im virtuellen Raum keinen Platz geben."

Die 35 Minuten lange Rede zeigt zum wiederholten Mal, wie gut sich Clinton auf dem Gebiet der Außenpolitik auskennt. Sie warnt davor, al-Qaida zu vergessen: "Sie haben noch immer die besten Bombenbauer und aktive Ableger auf der arabischen Halbinsel und in Afrika." Sie appelliert wie schon zu ihrer Zeit als Chefdiplomatin an alle Beteiligten, Reformen in der arabischen Welt zu unterstützen: Wirtschaftswachstum und Rechtsstaatlichkeit dort seien extrem wichtig.

Von den Partnern in der EU wünscht sich Clinton, dass diese sich gegenseitig und die USA besser über gestohlene Pässe sowie identifizierte IS-Rückkehrer informieren. Vor allen Anschlägen habe es Hinweise gegeben, doch niemand konnte die richtigen Schlüsse ziehen. "Ich weiß, dass dies schwierig ist, aber das muss besser werden", ruft Clinton.

In aller Klarheit stellt sich die Favoritin der Demokraten für das Präsidentenamt in der sehr emotionalen Flüchtlingsdebatte hinter Barack Obama. Natürlich müsse "strengstens" überprüft werden, wer als Flüchtling anerkannt werde - und der US-Kongress müsse die Finanzierung sichern. Doch die Terroristen dürften die Amerikaner nicht zwingen, ihre Werte aufzugeben: "Wir schlagen Waisenkindern und Flüchtlingen nicht die Tür zu, wir diskriminieren keine Muslime. Wir Amerikaner sind nicht so." Viele Republikaner fordern seit den Pariser Attacken, keine Flüchtlinge aus Syrien in die USA zu lassen. Skepsis gegenüber Syrern gibt es auch in Clintons eigener Partei: Kurz nach ihrer Rede stimmt das US-Repräsentantenhaus für verschärfte Kontrollen von syrischen Flüchtlingen. Unter den Befürworten sind auffällig viele Demokraten.

Clinton betont unterdessen das Engagement muslimischer US-Amerikaner: Sie seien jeden Tag "im Kampf gegen die Radikalisierung" aktiv. Die Klage von CIA-Direktor John Brennan, wonach die Verschlüsselungstechniken den Geheimdiensten die Arbeit erschwerten, nimmt Clinton ernst. Sie appelliert an die Tech-Firmen im Silicon Valley, die Regierung nicht als Gegner anzusehen.

Clinton nennt Details, Trump steigt in den Umfragen weiter auf

Abschließend betont Clinton, dass die USA nun an der Spitze einer weltweiten Koalition stehen müssten: "Kein anderes Land kann das." Die altmodische Diplomatie sei nun ebenso wichtig wie die Bereitschaft, im Zweifel allein zu handeln wie bei der Tötung von Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden. Sie erinnert auch an Lassana Bathily, jenen jungen Mann aus Mali, der im Januar während der Attacke auf den koscheren Supermarkt in Paris Kunden in der Kühlkammer versteckt hatte. "Bathily bekam später die französische Staatsbürgerschaft, doch er hatte schon gezeigt, dass er ein Bürger war", lobt Clinton. Gegen solchen Mut hätte die IS-Miliz keine Chance.

Unterdessen beweisen die jüngsten Umfragen über die Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, dass sich in diesem Wahlkampf alle Prognosen der Experten als falsch herausstellen. Nach der Terrorserie war erwartet worden (etwa hier bei MSNBC), dass dies den Außenseiter-Kandidaten wie Donald Trump oder Ben Carson schaden werde, da viele Konservative ihnen nicht zutrauen, mit fehlender außenpolitischer Expertise die USA anzuführen.

In der aktuellsten Erhebung liegt der Geschäftsmann Donald Trump mit 24 Prozent vor allen Kandidaten - und der Ex-Gehirnchirurg Ben Carson bleibt mit 20 Prozent auf dem zweiten Platz. Marco Rubio, der sich als Senator auf Außenpolitik spezialisiert hat, kommt nicht vom Fleck und bleibt bei 12 Prozent. Die markigen Sprüche von Trump, der auch Moscheen überwachen und schließen will, kommen weiterhin sehr gut an bei vielen verängstigten Amerikanern.

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