Reaktion auf Nato-Angriff:Pakistan boykottiert Afghanistankonferenz

Rückschlag für die Friedensbemühungen am Hindukusch: Pakistan will der Bonner Afghanistankonferenz fernbleiben, weil die Nato mehr als 20 Soldaten tötete - offenbar handelte es sich dabei aber um eine fatale Verwechslung.

Pakistan will Regierungskreisen zufolge die bevorstehende Afghanistankonferenz in Bonn boykottieren. Dies melden übereinstimmend mehrere Nachrichtenagenturen. Damit protestiere das Land gegen einen Angriff der Nato, bei dem mehr als 20 pakistanische Soldaten getötet wurden, verlautete aus Regierungskreisen nach einer Kabinettssitzung in Lahore.

Reaktion auf Nato-Angriff: Unbändige Wut: Pakistanische Islamisten verbrennen in Lahore eine US-Flage bei Protesten gegen den Angriff auf einen Grenzposten.

Unbändige Wut: Pakistanische Islamisten verbrennen in Lahore eine US-Flage bei Protesten gegen den Angriff auf einen Grenzposten.

(Foto: AFP)

Die Absage Pakistan gilt als schwerer Rückschlag für die Bemühungen, den Konflikt im Nachbarland Afghanistan langfristig zu beenden. Die Unterstützung Pakistans ist Experten zufolge maßgeblich für Frieden und Stabilität am Hindukusch. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagtein Berlin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem jordanischen König Abdullah II., sie bedauere den geplanten pakistanischen Boykott.

Das pakistanische Kabinett befasste sich am Dienstag bei einer Sitzung in der Stadt Lahore mit dem Nato-Angriff. Das US-Zentralkommando Centcom kündigte an, die Militäraktion unter Leitung eines US-Generals und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Nato-Stellen aufzuarbeiten. In einer im Internet veröffentlichten Mitteilung heißt es, der Untersuchungsbericht solle bis zum 23. Dezember vorliegen. Centcom mit Sitz in Florida ist für die Einsätze der US-Streitkräfte vor Ostafrika, in Nahost sowie in Afghanistan und anderen Ländern der Region Zentralasien zuständig.

Die Afghanistankonferenz soll am kommenden Montag in Bonn stattfinden. Dabei werden 90 Delegationen aus aller Welt erwartet, die über die Zukunft des Landes beraten sollen. Ursprünglich wollte Außenministerin Hina Rabbani Khar die pakistanische Delegation in Bonn anführen. Die Bundesregierung sei über die Absage "betrübt" und werde sich bemühen, Pakistan zu überzeugen, diese Entscheidung zu überdenken, sagte Merkel. Sie messe der Konferenz "große Bedeutung" bei, betonte Kanzlerin, die aber auch Verständnis für Pakistan äußerte.

Zwischen Pakistan und Afghanistan gibt es oft Spannungen an der Grenze. So verüben radikale Islamisten immer wieder von Pakistan aus Angriffe in Afghanistan. Zuletzt sorgte allerdings die Nato mit dem folgenreichen Luftschlag auf den pakistanischen Grenzposten für Aufsehen.

Pakistan hatte empört auf den Angriff reagiert. Islamabad schloss zwei für die Versorgung der internationalen Truppen in Afghanistan wichtige Grenzübergänge und forderte die USA zudem zur Räumung des Luftwaffenstützpunktes Shamsi in der Provinz Belutschistan binnen 15 Tagen auf. Es wird vermutet, dass der US-Geheimdienst CIA den Stützpunkt als Basis für sein Drohnenprogramm gegen Kämpfer der Taliban und des Terrornetzwerks al-Qaida in den pakistanischen Stammesgebieten nutzt.

Fatale Verwechslung?

Auslöser für die Attacke war möglicherweise eine fatale Verwechslung. Wie die Nachrichtenagentur AP aus Kreisen der US-Streitkräfte erfuhr, hatte eine afghanisch-amerikanische Sondereinheit nach einem Angriff durch Taliban-Kämpfer in der Nacht zum Samstag Unterstützung aus der Luft angefordert.

Die Streitkräfte Pakistans hätten auf Anfrage erklärt, es befänden sich keine Einheiten des Landes in der Nähe, hieß es in einem internen Bericht. Bei der Verfolgung der militanten Islamisten habe ein US-Kommandeur zwei Stunden später einen pakistanischen Grenzposten für ein Taliban-Lager gehalten.

Unterdessen ist bekanntgeworden, dass bei einem Nato-Luftangriff in der südafghanischen Provinz Kandahar am Montag mindestens drei Frauen getötet worden waren. Nach afghanischen Angaben ereignete sich der Vorfall, als ein Kampfhubschrauber ein Dorf im Distrikt Zhari unter Beschuss nahm. Die Internationale Schutztruppe Isaf äußerte sich zunächst nicht dazu.

Erst am vergangenen Mittwoch waren bei einem Nato-Luftangriff in der Provinz Kandahar sechs Kinder getötet worden. Die afghanische Regierung teilte am Dienstag mit, Präsident Hamid Karsai habe einen Brief von US-General John Allen, Kommandeur der Isaf, erhalten, in dem dieser die zivilen Opfer bei Nato-Militäraktionen in den vergangenen Tagen bedauere. Zivile Opfer sorgen immer wieder für Kritik der afghanischen Regierung an der Nato.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: