Reaktion auf Massendemo in Berlin:Ministerin: Protestierer sind selbstherrlich

Justizministerin Christine Lambrecht kritisiert die Demonstranten in Berlin, weil sie Corona-Auflagen missachtet haben. Grüne fordern, aus Zügen alle Fahrgäste zu verweisen, die Mund und Nase nicht verdecken.

Von Michael Bauchmüller und Mike Szymanski, Berlin

Demonstration gegen Corona-Beschränkungen

Während die Zahlen der Neuinfizierten steigen, protestieren diese Demonstranten in Berlin eng gedrängt und oft ohne Maske gegen Corona-Beschränkungen.

(Foto: Christoph Soeder/dpa)

Die Großdemonstration von Gegnern staatlicher Corona-Auflagen am Samstag in Berlin, bei der Abstandsregeln und Maskenpflicht weitgehend missachtet worden waren, hat eine Debatte über den Umgang mit der Versammlungsfreiheit ausgelöst. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) kritisierte das Verhalten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer scharf: Die Demonstrationsfreiheit sei "ein besonders wichtiges Rechtsgut", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Jedoch müssten die Auflagen zum Corona-Schutz eingehalten werden, um andere nicht zu gefährden. "Mir fehlt jedes Verständnis für Demonstranten, die sich hierüber selbstherrlich hinwegsetzen", sagte sie.

Ungeachtet steigender Infektionszahlen hatten am Samstag Tausende Menschen in Berlin protestiert. Nach Schätzungen der Polizei schlossen sich bis zu 17 000 Menschen einem Demonstrationszug an, etwa 20 000 beteiligten sich anschließend an einer Kundgebung. Die Demonstranten, unter ihnen offenkundig auch rechte Gruppen, forderten ein Ende aller Auflagen. Passanten und Journalisten wurden aufgefordert, ihre Masken abzulegen. Das Verhalten auch gegenüber Medienvertretern war teilweise aggressiv. Der RBB zeigte Aufnahmen, wie einer seiner Kameramänner bespuckt wurde.

Angesichts der zuletzt wieder zunehmenden Infektionszahlen wird auch der Ruf nach strengeren Vorschriften lauter. So verlangen die Grünen strengere Auflagen etwa in den Fernzügen der Deutschen Bahn. Die Bundespolizei solle kontrollieren, ob Fahrgäste eine Schutzmaske tragen, und auch Bußgelder verhängen können, heißt es in einem Fünf-Punkte-Plan der Grünen, der der SZ vorliegt. "Notorische Maskenverweigerer" müsse die Polizei des Zuges verweisen dürfen. "Das konsequente Tragen der Masken entscheidet über die Eindämmung des Coronavirus und auch über die Akzeptanz des Verkehrsmittels Bahn", sagte Matthias Gastel, der bahnpolitische Sprecher der Grünen.

Ähnlich hatte sich mit Blick auf die Bahn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geäußert. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) plädierte für insgesamt härtere Strafen im Kampf gegen Corona. "Wer andere absichtlich gefährdet, muss damit rechnen, dass dies für ihn gravierende Folgen hat", sagte er.

Bei der Demonstration am Samstag waren Hygiene- und Abstandsregeln massiv verletzt worden, die Polizei stellte Strafanzeige gegen den Leiter der Versammlung. Der erklärte den Demonstrationszug am Nachmittag für beendet. Weil auch bei der anschließenden Kundgebung viele Demonstranten die Corona-Regeln nicht einhielten, löste die Polizei die Versammlung schließlich auf.

Georg Maier (SPD), Innenminister in Thüringen und derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz, bezeichnete das Verhalten der Demonstranten als "unverantwortlich". Auch beobachte er "mit Sorge, wie rechte Gruppen das Thema besetzen". Ihr Ziel sei es, sich so in die Mitte der Gesellschaft vorzuarbeiten, warnte Maier. Er sagte der SZ: "Es ist höchste Vorsicht geboten."

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