G-20-Gipfel in Sankt Petersburg:Tief gespalten in der Syrienfrage

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Barack Obama bei der Abschlusspressekonferenz in Sankt Petersburg. (Foto: AFP)

Frustriert fliegt Barack Obama nach Washington zurück: Die G-20-Staaten sind völlig uneinig, was einen Militärschlag gegen Syrien angeht. Beim Gipfel in Sankt Petersburg hat der US-Präsident weder Russland noch China überzeugen können. Auch ein Geheimtreffen mit Putin verlief ergebnislos. In einer Ansprache will Obama am Dienstag nun erläutern, wieso Amerika handeln muss.

Von Matthias Kolb

Der G-20-Gipfel in Sankt Petersburg ist vorbei. Während des zweitägigen Treffens diskutierten die Staats- und Regierungschefs nicht nur über die Weltwirtschaft, sondern sprachen ausgiebig über den syrischen Bürgerkrieg und die Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz des Assad-Regimes. Die Entwicklungen im Überblick.

Obama hält Rede zu Syrienkrise: Bei seiner Pressekonferenz in Sankt Petersburg hat der US-Präsident angekündigt, dass er sich am kommenden Dienstag mit einer Erklärung zum Konflikt in Syrien an seine Nation wenden werde. Die Mehrheit des Gipfeltreffens sei überzeugt, dass das Regime des umstrittenen syrischen Präsidenten Baschar al-Assad einen Anschlag mit Giftgas gegen die eigene Bevölkerung verübt habe. "1400 Menschen wurden vergast", sagte Obama. Darunter seien 400 Kinder gewesen. Allerdings räumte Obama auch ein, dass die Staaten mehrheitlich ein Mandat des UN-Sicherheitsrates für ein militärisches Eingreifen wünschten. "Es gibt eine Zeit, in der wir schwierige Entscheidungen treffen müssen", sagte Obama. Er wolle weiter im Kongress und international um Unterstützung für einen US-Militärschlag gegen Syrien werben.

Ergebnisloses Treffen zwischen Obama und Putin: Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama haben sich während des G-20-Gipfels in Sankt Petersburg nun doch zu einem persönlichen Gespräch getroffen. "Wir sind jeder bei seiner Meinung geblieben, aber es gibt einen Dialog", sagte Putin. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping warnte Obama vor einer Militärintervention gegen Syrien. Bei ihrem Treffen sagte Xi am Freitag nach chinesischen Angaben: "Eine politische Lösung ist der einzig richtige Ausweg aus der Syrienkrise - ein Militärschlag kann die Probleme nicht an der Wurzel packen."

G-20-Staaten sind tief gespalten: Lediglich zehn Länder, darunter Großbritannien, Frankreich und Spanien, haben sich in einer Erklärung hinter die Angriffspläne der USA als Antwort auf Giftgasangriffe in Syrien gestellt. "Wir unterstützen von den USA und anderen Ländern unternommene Anstrengungen, das Verbot des Chemiewaffeneinsatzes zu bekräftigen", heißt es. Es wurde betont, dass die Erklärung lediglich am Rande des Gipfels verabschiedet wurde. Zu den Unterzeichnern gehörten ebenfalls Australien, Kanada, Italien, Japan, Südkorea, Saudi-Arabien sowie die Türkei.

USA ziehen Botschaftspersonal aus Libanon ab: Die Regierung in Washington hat die amerikanische Botschaft im Libanon aus Sicherheitsgründen weitgehend evakuiert. "Nicht unbedingt notwendiges" Personal sowie Familienangehörige würden aus dem Libanon ausgeflogen, erklärte die Botschaft auf ihrer Internetseite. Grund seien "Bedrohungen" für die diplomatische Mission in Beirut sowie ihr Personal. Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt. Das US-Außenministerium teilte mit, es werde von Reisen in den Libanon und in die Türkei abgeraten.

Merkel: Keine Lösung für Syrien: Nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt es keine einheitliche Linie der Staatengemeinschaft in der Syrienkrise. Merkel sagte nach dem Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Sankt Petersburg, die Diskussion sei dennoch wichtig gewesen: "Aber es ist im Augenblick noch nicht absehbar, dass es hier zu einer einheitlichen UN-Resolution und einheitlichen UN-Bewertung kommt." Sie sei aber zuversichtlich, dass die übergroße Mehrheit der G20 einen politischen Prozess für nötig halte: "Es gibt eine breite Übereinstimmung, dass unbedingt ein politischer Prozess in Gang gebracht werden muss." Sie hoffe, dass auch China und Russland ihren Beitrag leisteten, damit eine Genf-II-Konferenz zu Syrien stattfinde und dass der UN-Bericht zum mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien bald veröffentlicht werde. Deutschland habe auch die Einbindung des Internationalen Strafgerichtshofs ins Gespräch gebracht.

Pentagon erarbeitet Liste militärischer Ziele: Einem Bericht der New York Times zufolge hat US-Präsident Obama die Strategen des Verteidigungsministeriums Pentagon beauftragt, die Liste von möglichen Angriffszielen in Syrien zu erweitern. So könnten im Falle einer Intervention nicht nur Tomahawk-Raketen von Schiffen abgefeuert, sondern auch amerikanische oder französische Flugzeuge zum Einsatz kommen. Die zitierten Regierungsbeamten sagen, dass Obama das militärische Potenzial des Regimes von Baschar al-Assad stärker verringern möchte ( degrade). Das Weiße Haus argumentiert, eine Intervention gegen Damaskus solle deter and degrade - also sowohl vor einem weiteren Einsatz von C-Waffen abschrecken als auch das Militär schwächen. Damit sollen offenbar skeptische Senatoren und Abgeordnete überzeugt werden, die vor der für kommende Woche geplanten Abstimmung im Kongress die Wirksamkeit eines Militärschlags anzweifeln. Obama sagte eine für Montag geplante Reise nach Los Angeles ab, um länger in Washington für ein "Ja" der Parlamentarier werben zu können.

Russland schickt Kriegsschiff in Richtung Syrien: Moskau sendet ein weiteres Kriegsschiff in Richtung Syrien. Das Landungsschiff Nikolai Filtschenkow der Schwarzmeerflotte habe den Hafen in Sewastopol auf der ukrainischen Halbinsel Krim verlassen, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf den Stab der russischen Kriegsmarine. Das Boot der Alligator-Klasse kann bis zu 20 Panzer an Bord nehmen sowie bis zu 300 Soldaten. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP werde in Noworossijsk eine spezielle Ladung an Bord nehmen. Warum es sich dabei handelt, blieb zunächst unklar.

Worum es in Syrien geht: Die US-Regierung sieht es als erwiesen an, dass das Assad-Regime am 21. August einen Giftgas-Angriff auf Zivilisten ausgeführt hat und will nun militärisch in den Syrien-Konflikt eingreifen. Am Mittwoch hat der Senatsausschuss für Auswärtige Beziehungen einem Militärschlag zugestimmt. Die endgültige Entscheidung über ein Eingreifen soll jedoch der Kongress treffen, der in der kommenden Woche tagt. International ist der Einsatz umstritten: Im UN-Sicherheitsrat sprechen sich vor allem Russland und China gegen eine Intervention aus. Zudem untersuchen UN-Experten gerade Proben aus Syrien nach Beweisen für den Einsatz von Chemiewaffen.

G-20-Gipfel in Sankt Petersburg
:Diplomatentanz mit Kollisionspotenzial

20 Staaten, 90 Prozent der Weltwirtschaft und fast nur ein Thema: Beim G-20-Gipfel können Obama, Putin, Merkel und Co. der Syrienfrage nicht ausweichen. Die Lage ist angespannt - es kann bereits von großer Bedeutung sein, welche Politiker überhaupt miteinander sprechen. Ein Überblick über die wichtigsten Akteure und ihre Terminplanung.

Von Matthias Kolb

Linktipps: Stefan Ulrich analysiert im SZ-Leitartikel "Rat der Ratlosen", wieso die Gremien der Weltpolitik keine Antwort auf die Not der Syrer finden. Andreas Zielcke erläutert in diesem Artikel, wieso das Völkerrecht Vergeltungsaktionen untersagt.

© Süddeutsche.de/dpa/Reuters/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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