Ebola in den USA:Halbwegs rational in Zeiten der Furcht

Ebola in den USA: Texas, USA: Medizinisches Personal begleitet die mit Ebola infizierte Krankenschwester Nina Pham.

Texas, USA: Medizinisches Personal begleitet die mit Ebola infizierte Krankenschwester Nina Pham.

(Foto: AP)
  • In den USA arbeiten die Behörden fieberhaft daran, die Ausbreitung von Ebola zu verhindern und die Bevölkerung aufzuklären.
  • Ebola ist Thema Nummer eins in den US-Medien. Beobachter halten das Interesse und auch die Besorgnis vieler Amerikaner für gerechtfertigt.
  • Die Pannen beim Umgang mit einem Ebola-Infizierten lasten viele Konservative dem US-Präsidenten an.
  • Obama genehmigt die Entsendung von 4000 US-Reservisten nach Westafrika.

Von Matthias Kolb, Washington

Wer in den vergangenen Tagen in den USA längere Zeit ferngesehen hat, der stieß zwangsläufig auf Thomas Frieden. Der 53-Jährige leitet die Gesundheitsbehörde CDC und ist das Gesicht, das die Amerikaner mit Ebola verbinden. Frieden steht vor der Herausforderung, die Bevölkerung zu informieren und sie aufzuklären, ohne allzu große Angst auszulösen. Denn im schlimmsten Fall könnte die öffentliche Hysterie ähnlich ansteckend sein wie die Ebola-Epidemie, warnt die New York Times.

Am Donnerstag informierten Frieden und andere Experten die Kongressabgeordneten über die Fälle der zwei infizierten texanischen Krankenschwestern. Der CDC-Chef wiederholte seine Position: Der effektivste Schutz für Amerika bestehe darin, das Ebola-Virus am Ursprungsort zu stoppen. Andernfalls "könnte es für lange Zeit eine Bedrohung für unser Gesundheitssystem werden". Genau wie Präsident Obama lehnt auch Frieden Einreiseverbote für Flugpassagiere aus Sierra Leone, Liberia und Guinea ab.

Obama machte in der Nacht zu Freitag den Weg für Hilfen direkt vor Ort frei. Er genehmigte die Entsendung von Reservisten zur Bekämpfung von Ebola nach Westafrika. Dem Dekret zufolge wird das Verteidigungsministerium ermächtigt, Reservisten der Streitkräfte für humanitäre Hilfsmaßnahmen "in Verbindung mit der Ebola-Epidemie in Westafrika" zu entsenden. Es gehe vor allem um Spezialisten, die beim Aufbau der logistischen Infrastruktur helfen sollen. Dem Pentagon zufolge handle es sich um bis zu 4000 Soldaten.

CDC-Chef Frieden leugnete am Donnerstag nicht, dass im Krankenhaus in Dallas Fehler gemacht wurden (Details hier) und dass seine Behörde ihre Sicherheitstipps mehrmals verschärfen musste. Auch wenn der CDC-Chef nicht jede Frage beantworten konnte, weil er nicht "alle Details" parat hat, verlief die Anhörung trotz der wachsenden Kritik der Republikaner an Präsident Obama relativ zivilisiert. Es scheint, als seien sich die meisten amerikanischen Politiker bewusst, dass sie das Vertrauen der Bürger in die Gesundheitsbehörden stärken müssen.

Behörden in Texas und Ohio gehen trotzdem kein Risiko ein: Weil zwei Schüler und ein Schulangestellter im selben Flugzeug wie die Krankenschwester Amber V. zwischen Dallas und Cleveland unterwegs waren, wurden mehrere Schulen geschlossen. In sozialen Netzwerken, in Radiosendungen und sicher auch an vielen amerikanischen Küchentischen wird über die Verhältnismäßigkeit dieser Reaktionen diskutiert. Schließlich sterben deutlich mehr Amerikaner an Grippe, Fettleibigkeit oder den Folgen von Alkohol- und Zigarettenkonsum.

Aktuellen Umfragen zufolge fürchten zwei Drittel aller Amerikaner einen Ausbruch von Ebola in ihrem Land; jeder fünfte Befragte hat Sorge, selbst von dem Virus betroffen zu sein. Die meisten Experten halten die Sorgen der Amerikaner für normal. "Diese Ängste sind völlig rational", betont die Psychiaterin und Kommunikationsexpertin Jody Lanard im Radiosender NPR.

Das Vertrauen in die Behörden darf nicht verloren gehen

Lanard berät unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO und kann keine Überreaktion erkennen. Es sei normal, dass die Menschen nun genau verfolgen, was Gesundheitsexperten sagen und wie die Medien berichten. "Je mehr sie erfahren, umso schneller wird die Sorge zurückgehen", sagt Lanard. Wichtig sei, dass die Amerikaner ihren Gesundheitsbehörden vertrauen können. Es sei überheblich, darauf zu verweisen, dass mehr Menschen am Grippevirus oder in Folge von Autounfällen sterben würden: "Dies ist nicht die Woche, in der wir über diese Risiken nachdenken. Jetzt erfahren wir mehr über Ebola."

Paul Slovic von Decision Research stimmt zu: "Die kommenden Tage werden entscheidend sein, die Behördenvertreter müssen sehr genau auf ihre Wortwahl achten." Slovic, dessen NGO Risikowahrnehmungen im Gesundheitswesen untersucht, betont in der New York Times, wie wichtig Ehrlichkeit und Kompetenz seien. "Wenn das Vertrauen weg ist, dann machen sich die Leute Sorgen, auch wenn offiziellen Stellen beteuern, dass es dafür keinen Grund gibt."

Als Vergleich für die angespannte Stimmung verweist Slovic auf die Anthrax-Briefe, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die US-Bürger in Schrecken versetzten. Auch damals sei die Bedrohung unbekannt gewesen und ungewöhnlich viele Menschen hätten über Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwächegefühl geklagt - alles mögliche Symptome für eine Anthrax-Vergiftung. Slovic und die Kommunikationsexpertin Lanard verweisen auch auf Hollywood-Filme wie "Contagion" aus dem Jahr 2011, welche die öffentliche Wahrnehmung prägen würden. Ständig würde in den Medien darüber berichtet, dass das Ebola-Virus ähnlich wie der Vogelgrippe-Erreger "unsichtbar und tödlich" sei.

Obama ernennt einen "Ebola-Zar"

Präsident Barack Obama hat zuletzt alle Wahlkampf-Termine für demokratische Gouverneure abgesagt, um sich ganz dem Kampf gegen die Ebola-Epidemie zu widmen. Er kann sich mittlerweile vorstellen, einen "Ebola-Zar" zu ernennen; also einen eigenen Beauftragten zu bestimmen, der alle Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Seuche koordinieren soll. Regierungsmitglieder versuchen nicht nur in Interviews, den Bürgern die wichtigsten Fakten über das Ebola-Virus, die Symptome und die Ansteckungsgefahr mitzuteilen, sie setzen auch auf soziale Medien wie Twitter und Facebook.

Wahrscheinlich wird es angesichts der Kongresswahl am 4. November noch einige Zeit mit der äußerst aufgeregten Ebola-Berichterstattung weitergehen. Gerade für republikanische Kandidaten ist das Thema bestens geeignet, um dem bei der konservativen Basis so verhassten Präsidenten Führungsschwäche vorzuhalten. Bei CNN und Fox News beschäftigen sich zurzeit fast alle Sendungen mit Ebola. Bei den Zuschauern einen Schauer der Angst zu verbreiten, ist das Erfolgsrezept von Fox News. Insofern ist das Thema Ebola ideal für den Murdoch-Sender, der sein Publikum schon mal abstimmen lässt, ob die Welt auf den direkten Weg in die Hölle sei.

Es ist genau diese Wortwahl, die es zurzeit so schwer macht, die öffentliche Debatte weiter zu versachlichen. Doch immerhin machen nicht alle Fox-News-Mitarbeiter bei der Panikmache mit. In seiner Live-Sendung wirft Shep Smith den Medien vor, verantwortungslos zu handeln und Hysterie zu schüren. Hoffentlich hören ihm einige seiner Vorgesetzten zu.

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