Reaktion auf Anschläge von Brüssel:Clinton offenbart die Unerfahrenheit ihrer Herausforderer

Trumps angedachter Rückzug aus der Nato? "Geschenk für den Kreml." Polizeipatrouillen in Muslim-Vierteln? "Cruz weiß nicht, wovon er spricht." Doch die Demokratin kritisiert auch die EU deutlich.

Von Matthias Kolb, Washington

Nach den Brüsseler Terror-Anschlägen mit mehr als 30 Toten distanziert sich Hillary Clinton deutlich von ihren möglichen republikanischen Herausforderern Donald Trump und Ted Cruz. "Slogans sind keine Strategie", sagte die Ex-Außenministerin an der Stanford University in Palo Alto.

Der texanische Senator Cruz fordert von den Sicherheitsbehörden, verstärkt in Vierteln zu patrouillieren, in denen viele Muslime leben. Clinton nennt diese Idee "falsch, kontraproduktiv und gefährlich." Dieser Vorschlag behandle US-Muslime wie Kriminelle, verhindere keine Terror-Anschläge in der Heimat ("sie sind unserer bester Schutz, weil sie merken, wer sich radikalisiert") und verärgere die Partner im Ausland. Genüsslich zitiert Clinton New Yorks Polizeichef William Bratton: "Senator Cruz weiß verflucht noch mal nicht, wovon er spricht."

Dass die Ex-Außenministerin in ihrem Element ist, wenn sie über "weiche Ziele" wie Brüssels Flughafen und die jüngsten Gebietsverluste des IS spricht, wird sofort deutlich. In einer Zeit, in der sich gerade viele konservative Amerikaner unsicher fühlen und Angst vor Terror in der Heimat haben, hebt Clinton die Unerfahrenheit ihrer Herausforderer hervor.

Ex-Außenministerin lehnt Einsatz von Folter ab

Folter diene nicht der Terror-Abwehr, sagt Clinton und widerspricht damit Donald Trump: "Wenn ich Präsidentin bin, wird nirgendwo gefoltert werden." Eine Abkehr vom Verteidigungsbündnis Nato, wie Trump dies andeutete? "Das wäre ein tolles Weihnachtsgeschenk für den Kreml." Was Russlands Autokrat Putin erfreuen würde, das mache die USA und deren Verbündete schwächer.

Die von Donald Trump geforderte Mauer rund um die USA? Diese könne noch so hoch sein - und werde doch nicht das Internet draußen halten, in dessen Tiefen sich junge Leute radikalisieren. Wie Präsident Barack Obama beim SXSW-Technikfestival umwirbt Clinton das Silicon Valley: Die "schlauesten Köpfe" müssen helfen, die Social-Media-Strategien der IS-Dschihadisten besser zu analysieren und unwirksam zu machen. Und eine völlige Verschlüsselung helfe vor allem den Terroristen, die dies ausnützen würden: "Die Tech-Branche und die Regierung dürften sich nicht als Gegner ansehen."

Clinton: Europa muss mehr in Geheimdienste investieren

Die Ex-Außenministerin, die sich zuletzt einen Vorsprung auf ihren Rivalen Bernie Sanders herausgearbeitet hat, macht deutlich, dass der Kampf gegen die IS-Miliz noch mehrere Jahre dauern und den nächsten US-Präsidenten beschäftigen werde. Wer wie Cruz fordere, vom selbsternannten Islamischen Staat kontrollierte Städte per "Flächenbombardement" in die Vergangenheit zurückzubomben, der wirke nicht "stark", sondern habe den Verstand verloren.

Clinton, die während der 9/11-Anschläge Senatorin in New York war, dankt den Europäern für deren damalige Solidarität und erinnert an die "Wir sind alle Amerikaner"-Schlagzeilen. Deswegen müssten die USA den EU-Partnern helfen, die vielen Probleme zu bewältigen: die Flüchtlingskrise, Putins Aggressionen in Russland, schwächelnde Wirtschaftskraft und der Aufstieg von rechtspopulistischen Parteien. Die Nato sei keine Last, sondern "eine der besten US-Investitionen".

Doch die Demokratin liest den Europäern die Leviten. Diese müssten mehr Geld in Geheimdienste und Armeen stecken und viel besser kooperieren. "Istanbul, Madrid, London, Paris, Brüssel: Europa befindet sich im Kampf gegen den Terror an vorderster Front", so Clinton. Die USA würden die eigene Sicherheit durch gute Zusammenarbeit verbessern, doch es könne nicht sein, dass Washington leichter Informationen von einem europäischen Geheimdienst erhalte als EU-Partnern untereinander.

Forderung nach Datenbank europäischer IS-Kämpfer

Dank ihrer europäischen Pässe könnten sich junge IS-Kämpfer nach ihrer Zeit in Syrien und im Irak leicht in Europa bewegen und durch die Welt reisen, klagt Clinton. "Wir müssen die Namen von jedem einzelnen Kämpfer kennen und deren Pässe einziehen", sagt die 68-Jährige. Die EU-Staaten sollten sich informieren, wenn Pässe gestohlen werden und mehr Informationen über Reisende austauschen. Zudem müsse das Nato-Mitglied Türkei die Grenze zu Syrien besser sichern.

Gewiss: Die Demokratin sagt nichts, was in der EU nicht spätestens seit den Pariser Anschlägen im November schon schmerzlich bewusst ist. Doch es ist eine Wohltat, in diesem US-Wahlkampf eine Rede zu hören, in der auf die Komplexität der globalisierten Welt nicht mit markigen Sprüchen reagiert wird.

Ihr Schlussplädoyer, wonach die USA die nötige Führungsstärke zeigen werden, um auch diesen "Kampf unserer Generation" erfolgreich zu bestehen und den IS zu besiegen, verknüpft sie mit der Bitte, dass Republikaner und Demokraten im Anti-Terror-Kampf zusammenstehen sollten. Ihre bissigen Bemerkungen und die klare Kontrastierung zu Trump und Cruz haben dies nicht unbedingt wahrscheinlicher gemacht.

Einem dürfte Hillary Clintons Aussagen aber gefallen: Barack Obama. Der US-Präsident konnte es sich nicht verkneifen, Cruz' Forderung nach Spezialpatrouillen in Muslim-Vierteln bei seiner Abreise aus Kuba deutlich zu verurteilen: "Ich verlasse gerade ein Land, in dem jedes Viertel überwacht wird. Und nebenbei: Der Vater von Senator Cruz ist von dort in die USA geflohen."

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