Razzien gegen Salafisten in NRW:200 Euro für den Terror

Die Polizei durchsucht 40 Wohnungen und nimmt neun Männer fest. Mit Einbrüchen soll eine Salafisten-Bande Geld für dschihadistische Milizen erbeutet haben - doch viel kam nicht zusammen.

Von Hans Leyendecker, Köln

Die Sicherheitsbehörden haben nach Einschätzung des Leiters des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, durch eine groß angelegte Aktion die "Salafisten-Szene erst einmal blockiert". Den Behörden sei es nach monatelangen Ermittlungen gelungen, "mehr als nur ein Netzwerk" aufzudecken, sagte Freier der Süddeutschen Zeitung.

Die Polizei hatte am frühen Mittwochmorgen im Großraum Köln und im Raum Siegen sieben Männer unter anderem wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat festgenommen. 40 Wohnungen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern wurden durchsucht. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall.

Zwei weitere Männer, die ebenfalls verhaftet wurden, sind dringend verdächtig, seit 2013 zwei terroristische Vereinigung in Syrien unterstützt und insgesamt fünf Kämpfer für diese Terrororganisationen nach Syrien geschleust oder für den Krieg rekrutiert zu haben. Gegen diese beiden Männer ermittelt der Generalbundesanwalt in Karlsruhe.

Sie sollen die Terrormilizen Islamischer Staat (IS) und Ahrar al-Scham unterstützt haben. Einer der beiden, ein 58-jähriger pakistanischer Staatsbürger, soll den Terrormilizen 3200 Euro und einen Krankenwagen als Transportfahrzeug beschafft haben. Sein angeblicher Komplize ist dringend verdächtig, 200 Euro einem Mitglied einer Miliz gegeben zu haben.

Ob die Festnahmen, von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) als "erfolgreicher Einsatz gegen kriminelle Salafisten" bezeichnet, wirklich der ganz große Schlag waren, wird sich zeigen. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte die Kölner Razzien positiv gewürdigt. Die aktuellen Ermittlungsverfahren seien auch das Ergebnis des Verbots der Terrorgruppe IS, sagte der Innenminister.

Mit den Ermittlungen gegen die Angehörigen der Salafistenszene hatte im vergangenen Jahr eine im Kölner Polizeipräsidium eingerichtete "Ermittlungsgruppe Reise" begonnen. Sie stand in engem Kontakt zum Verfassungsschutz. Im Frühsommer dieses Jahres war der Generalbundesanwalt eingeschaltet worden. Erst im September dieses Jahres wurde IS verboten.

"Ein bisschen hochgejazzt"

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Köln sind die Festgenommenen dringend verdächtig, eine Einbrecherbande gebildet und die Beute an Dschihadisten in Syrien und im Irak sowie für die Finanzierung der Ausreise "kampfwilliger Personen nach Syrien verwendet zu haben". Die angebliche Bande soll in Kirchen und Schulen eingebrochen sein. Die Beute, so ein Insider sei "vergleichsweise gering" gewesen, "wirklich nicht das große Geld". Möglicherweise haben sie sich auch an Sammelaktionen für Terrororganisationen beteiligt.

Die Gemengelage ist etwas unklar. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, die Tatbeute sei für die Terrormilizen "verwendet" worden. In Haftbefehlen ist aber davon die Rede, es sei lediglich "beabsichtigt" gewesen, die Beute derart einzusetzen. Das macht schon einen Unterschied.

In der Erklärung der Staatsanwaltschaft Köln ist von insgesamt 28 Beschuldigten die Rede, der NRW-Innenminister kommt auf "insgesamt 44 Beschuldigte. Jäger rechnet die angeblichen Helfer der 28 Beschuldigten dazu. Das ist nicht falsch. Tatsächlich wurden gegen 44 Personen insgesamt Ermittlungen eingeleitet.

Ein mit den Ermittlungen befasster Sicherheitsbeamter findet aber, die Aktion sei "ein bisschen hochgejazzt worden". Man müsse abwarten, was am Ende von den Vorwürfen noch bleibe.

Interessant wäre es, wenn tatsächlich Kriminelle unter den Salafisten Einbrüche nur machten, um den Krieg zu finanzieren. Ob Eigennutz dabei war , werden die Ermittlungen zeigen. In abgehörten Gesprächen hatten die Salafisten, die den Verfassungsschutzbehörden bekannt waren, erklärt, man müsse "den Brüdern helfen".

Dass die Szene durch Kriminalität Geld beschaffen will, ist so neu nicht. Ende Dezember 2007 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf zwei Männer zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt, die Geld für al-Qaida durch Versicherungsbetrügereien beschaffen wollten. Damals ging es um mehr als vier Millionen Euro.

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