Wegen Terrorverdachts hat die Polizei am Mittwoch Wohnungen in sechs Bundesländern durchsucht. Die Bundesanwaltschaft wirft 17 Beschuldigten die Gründung beziehungsweise Mitgliedschaft in einer inländischen terroristischen Vereinigung vor. Es handle sich um eine auch international vernetzte Gruppierung, deren Ziel es sei, die Regierung im nordostafrikanischen Eritrea zu stürzen, teilte die Karlsruher Behörde mit. Die Beschuldigten sollen in Deutschland leitende Funktionen bei der Organisation „Brigade N’Hamedu“ haben.
Der Ableger in Deutschland sei spätestens seit dem Jahr 2022 aktiv und schrecke auch vor Gewaltaktionen gegen Veranstaltungen in Deutschland, die von der eritreischen Regierung unterstützt würden, nicht zurück.
Es geht auch um die Ausschreitungen bei Festivals in Gieße und Stuttgart
Die Organisation soll gewaltsame Ausschreitungen bei sogenannten Eritrea-Festivals in Gießen im August 2022 und im Juli 2023 sowie bei einer Veranstaltung eines eritreischen Vereins in Stuttgart im September 2023 abgestimmt haben. Dabei wurden zahlreiche Polizeibeamte zum Teil erheblich verletzt.
Bei der Razzia wurden 19 Objekte durchsucht – davon acht in Hessen, vier in Nordrhein-Westfalen, drei in Bayern, zwei in Baden-Württemberg sowie jeweils eines in Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz. Eine weitere Durchsuchung finde gleichzeitig in Dänemark statt, hieß es. Festnahmen habe es keine gegeben. Ein weiterer Beschuldigter, der sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland eine Führungsposition innerhalb der Brigade N’Hamedu bekleidet haben soll, wurde kürzlich von einem niederländischen Gericht wegen seiner Beteiligung an Ausschreitungen am 17. Februar 2024 in Den Haag zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Die im Ausland lebenden Eritreer sind gespalten
Lange Jahre herrschte in Eritrea ein Befreiungskampf gegen Äthiopien. Viele Eritreer haben in dieser Zeit ihr Land in Ostafrika verlassen. Seit dem Sieg der Eritreischen Volksbefreiungsfront 1991 herrscht Isaias Afewerki über das Land, ein zunehmend paranoider Machthaber. Er hat in Asmara ein totalitäres Regime errichtet. Jeder eritreische Staatsbürger ist zu unbefristetem Militär- und Nationaldienst verpflichtet, Elend und Unterdrückung treiben seit Jahren Eritreer in Massen aus dem Land. In Deutschland leben etwa 70 000 von ihnen.
Die in der Diaspora lebenden Eritreer sind gespalten. Laut Beobachtern der Szene gibt es unter denen, die während des Befreiungskrieges ihr Land verließen, zahlreiche Sympathisanten der Regierung in Asmara. Anders bei jenen, die seit den 90er-Jahren geflohen sind. Unter ihnen gelten viele als Regimegegner. Eritreische Kulturvereine gelten als der Regierung in Asmara eher zugewandt. Kritiker werfen ihnen eine Verherrlichung des Regimes und die Überwachung der im Ausland lebenden Eritreer vor. Die Brigade N’Hamedu hat in der Vergangenheit in Deutschland lebende Landsleute dazu aufgerufen, von diesen Vereinen ausgerichtete Veranstaltungen wie die in Gießen und Stuttgart zu verhindern.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte am Mittwoch, die Ermittler hätten sich nach dem Gewaltexzess in Stuttgart 2023 bundesweit intensiv vernetzt. „Wir bekämpfen auch die dahinterstehende Struktur, und zwar länderübergreifend.“ Ausgangspunkt für die Razzien sei umfangreiches Videomaterial, das intensiv ausgewertet worden sei, sagte Strobl. Hierbei sei modernste Gesichtserkennungstechnik zum Einsatz gekommen.