Süddeutsche Zeitung

Raul Castro Ruz:Bruder und Erbe

Lesezeit: 2 min

Kubas Staatschef hat nie Zweifel daran aufkommen lassen, dass er in seinem Bruder auch seinen Nachfolger sieht. Kein Wunder: Ohne Fidels Erlaubnis wechselt Raul angeblich nicht einmal die Wohnung.

Eva Karnofsky

Nie hat Kubas Staatschef Fidel Castro Zweifel daran aufkommen lassen, dass er in seinem Bruder Raul auch den Nachfolger sieht. Raul sei jünger als er und kerngesund, warb Fidel in einem Interview. Der zweite Mann der Castro-Dynastie steht seit frühester Jugend in Schatten Fidels.

Der fünf Jahre jüngere Raul stürmte gemeinsam mit Fidel im Juli 1953 die Moncada-Kaserne, und gemeinsam landete man dafür im Gefängnis. Raul folgte Fidel nach Mexiko, um dort eine kleine Rebellenschar auf einen Guerillakrieg gegen Kubas rechten Diktator Fulgencio Batista vorzubereiten. Er kämpfte in den Bergen der Sierra Maestra an Fidels Seite - bis zum Sieg ihrer Revolution in der Silvesternacht 1959.

Der jüngere der beiden Castros soll damals der blutrünstigere gewesen sein, erinnern sich Kubaner, die die Revolution erlebt haben. Seine Nichte Alina beschreibt ihn jedoch als liebevollen und großzügigen Menschen.

Raul hatte immer eine Schwäche für das Militär, doch schon in der Sierra Maestra stellte sich heraus, dass der legendäre Guerillero Camilo Cienfuegos als militärischer Führer überlegen war. Dennoch wurde Raul im Februar 1959 zum Chef der Streitkräfte ernannt. Sein großer Rivale Cienfuegos kam im Oktober 1959 unter nie geklärten Umständen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Nach dessen Tod wurde Raul auch Verteidigungsminister.

Kein Posten, den Fidel inne hätte, ohne dass Raul nicht sein Stellvertreter wäre - als Staatschef, als Vorsitzender des Ministerrats, als Chef der Kommunistischen Partei. Nach der Verfassung steht der Stellvertreter des Staatschefs auch für die Nachfolge bereit. Rauls Ehefrau Vilma Espin, ebenfalls eine Kämpferin aus der Sierra Maestra, ist seit Jahren Vorsitzende der cubanischen Frauenvereinigung.

"Der arme Raul"

In Kuba weiß man fast nichts über das Privatleben der Führung, doch das Ehepaar und seine vier Kinder haben den Ruf, bescheidene Menschen geblieben zu sein. In amerikanischen Gerichtsverfahren gegen die internationale Drogenmafia haben immer mal wieder Zeugen behauptet, Raul Castro habe Drogenflugzeugen ausdrücklich erlaubt, Kuba zu überfliegen. Der endgültige Beweis dafür steht jedoch aus.

Fidels uneheliche Tochter Alina behauptet, "der arme Raul" traue sich ohne die Erlaubnis des großen Bruders nicht einmal, die Wohnung zu wechseln. Soweit bekannt ist, hat sich Raul lediglich ein einziges Mal gegenüber seinem Bruder durchgesetzt - als 1994 freie Bauernmärkte eingeführt wurden, auf denen Privatleute ihre Produktion anbieten können. Fidel war dagegen, doch Raul spürte den Druck der Generäle im Nacken, die nicht länger hinnehmen wollten, dass die Familien ihrer Soldaten Hunger litten.

Kein Kubaner wagt heute vorauszusagen, wie sich das Land unter Raul entwickeln würde - Castros kleiner Bruder hat nie politisches Profil gezeigt. Das Charisma des maximo lider und dessen rethorisches Talent spricht man ihm allerdings ab.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.870212
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30. Juni 2001
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.