Bundesinnenminister Horst Seehofer sieht in deutschen Polizeibehörden keinen unterschwelligen Rassismus. "Der Vorwurf eines latenten Rassismus in der deutschen Polizei stößt bei mir auf absolutes Unverständnis." Deshalb weise er ihn auch zurück, sagte der CSU-Politiker nach Angaben eines Sprechers. Gleichzeitig gelte: "Für Rassismus gilt: Null Toleranz!". Jedem Einzelfall werde nachgegangen. Bei der Bundespolizei habe es seit 2012 insgesamt 25 Rassismus-Verdachtsfälle gegeben, hieß es aus dem Bundesinnenministerium. Davon seien 16 Fälle durch interne Hinweise bekannt geworden.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte Anfang der Woche mit Blick auf die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA in einem Interview gesagt: "Auch in Deutschland gibt es latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte." Dabei stehe die große Mehrheit der Polizeibediensteten solchen Tendenzen sehr kritisch gegenüber und leide unter dem potenziellen Vertrauensverlust, der sich daraus ergebe. Um Fälle ungerechtfertigter Polizeigewalt aufzuarbeiten, forderte Esken eine unabhängige Beschwerdestelle.
Polizei in den USA:Zu selten Freund, zu selten Helfer
In den USA wird nicht nur unter den Anti-Rassismus-Protestanten der Ruf nach Polizeireformen lauter. Was genau mit der Losung "defund the police" gemeint ist und was einige Staaten bereits unternehmen.
Mit ihrer Einschätzung stieß Esken unter anderem auch bei einigen SPD-Innenministern auf Kritik. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Die absolute Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten in Deutschland hat mit Rassismus absolut nichts am Hut. Ein besonderes strukturelles Rassismus-Problem sehe ich bei der Polizei daher nicht."
Pistorius: ungerechtfertigter Generalverdacht
Auch SPD-Innenminister der Länder wiesen die Äußerungen von Esken zurück. Zwar gebe es auch in Deutschland in allen gesellschaftlichen Bereichen Alltagsrassismus, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius. Aber der Polizei zu unterstellen, sie habe ein größeres Problem mit Rassismus als andere Lebensbereiche, sei falsch und setze sie einem ungerechtfertigten Generalverdacht aus, sagte er dem Spiegel.
Berlins Innensenator Andreas Geisel sagte dem Magazin: "Wer der Polizei latenten Rassismus vorwirft, diskreditiert die Arbeit von tausenden rechtschaffenden Beamtinnen und Beamten." Auch der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der Thüringer Ressortchef Georg Maier, hatte keine Rechtfertigung gesehen, die Integrität der Polizei strukturell in Frage zu stellen.